Gott auf dem Hauptbahnhof
Hannover Hauptbahnhof, Gleis sieben. Neben mir, ein tränenreicher Abschied. Ein junges Paar küsst sich leidenschaftlich. Auf der anderen Seite eine sichtlich bewegte Großmutter, die ihr Enkelkind für lange Zeit ein letztes Mal auf dem Arm hält. Ich selber bin dagegen ziemlich glücklich. Eine Dienstreise geht zu Ende und ich freue mich auf zuhause.
Abschied und Wiedersehen, Mühen und Erleichterung – all das liegt dicht beieinander auf Deutschlands Bahnhöfen. Ebenso Geschäftigkeit und Reisefieber, aber auch Langeweile und große Sorgen.
Über die Autorin
Martina Kreidler-Kos ist Leiterin des Osnabrücker Seelsorgeamts. Ihr liegen die großen Fragen der Kirche am Herzen – aber auch die kleinen, alltäglichen und nur scheinbar nebensächlichen Dinge.
Der Künstler Josef Beuys hat einmal gesagt: „Die Mysterien finden auf dem Hauptbahnhof statt.“ Ist das schräg? Ich finde es klug und übrigens auch sehr christlich. Die christlichen Geheimnisse finden immer da statt, wo das Leben spielt. Immerhin hat Gott sich diese und keine andere Welt ausgesucht: Er hat sie geschaffen und Jesus, sein Sohn, ist hier gewesen. Alles Zeichen, dass Gott dicht bei uns sein will und nicht irgendwo in frommen Sphären. Man könnte den Satz von Josef Beuys deshalb auch so sagen: Begegnung mit Gott findet auf dem Hauptbahnhof statt. Was unser Leben ausmacht, will Gott mit uns teilen. Also ist er immer da zu finden, wo sich unser Leben abspielt.