Gott will im Dunkel wohnen …

Leuchtkreuz im Dunkel
Bild: unsplash.com, Orkhan Farmanli

Am vergangenen Wochenende hätte ich Veranstaltungen in der Schweiz gehabt. Aber wie so vieles in diesem Jahr: abgesagt! Stattdessen stand ich am Samstagabend im Innenhof eines Klosters im Münsterland, der an die Pfarrkirche grenzt. Leise klangen Stimmen und Musik an mein Ohr, im Vorabendgottesdienst wurden die neuen Erstkommunion-Kinder vorgestellt. Und da war es mal wieder, gleich zu Beginn – „wir sagen euch an den lieben Advent“. Coronabedingt immerhin nur die 2. Strophe – aber die reichte aus, um mich ins Nachdenken zu bringen: Da hat uns eine Pandemie im Griff, viele bangen um ihre berufliche Existenz, Kontaktbeschränkungen, kein Bummel auf dem Weihnachtsmarkt, Maskenpflicht in den Innenstädten, eine bedenkliche Auslastung der Intensivstationen in den Krankenhäusern, die Amokfahrt in Trier – und wir singen vom „lieben Advent“?

Ja, ich höre schon die Reaktionen: „Das Lied ist doch nett!“ und „das singen wir doch jedes Jahr!“ –  naja gut, aber das macht es ja nicht unbedingt richtiger. Und auch das Argument „ein Lied für Kinder“ kann mich nicht so ganz überzeugen – transportieren wir nicht doch unterschwellig eine Botschaft mit, die sich irgendwie festsetzt?

Zugegeben, ich mochte das Lied, bzw. genauer gesagt, die jeweils erste Zeile, schon vor Corona nicht. „Lieb“ – die Gefahr ist groß, dass wir eine eher dunkle und herbe Zeit, die der Advent eigentlich sein will, verniedlichen und klein machen. Andere Adventslieder sind da ehrlicher – gerade in diesem Jahr: „Kündet allen in der Not!“, „O Heiland, reiß die Himmel auf!“ oder „Aus hartem Weh die Menschheit klagt“.

Alfred Delp (Jesuit, 1907 – 1945, wegen seines Widerstandes gegen das Hitler-Regime hingerichtet) sagt es so: „Advent ist die Zeit der Erschütterung“ – weil das Kommen Gottes, das wir an Weihnachten feiern, uns vor die existentiellen Fragen unseres Lebens stellt. Das erleben wir in diesem Jahr unter verschärften Bedingungen. Wir alle warten so sehnsüchtig auf Erlösung, auf ein bisschen Normalität ohne Maske, aber dafür mit Umarmung, auf ein Ende dieser so seltsamen Zeit. Und genau das ist und bedeutet Advent. Warten … im Dunkel sein … hoffen …

Und Gott ist zwar die Liebe – aber er ist nicht „lieb“. Das steckt ihn in Schubladen hinein, in die er nicht hineinpasst. Wenn wir Menschen das Bild von einem „lieben Gott“ vermitteln, der sich wunderbar als Dekoration für Feste eignet, dann brauchen wir uns auch nicht zu wundern, wenn diese Beziehung zu einem solchen Gott dann in Frage gestellt wird, wenn sich Gott eben nicht als „lieb“ erweist, wenn Pläne durchkreuzt werden, der Tod ins Leben einbricht. Dann trägt ein „lieber Gott“ nicht mehr. Dann kommt die bittere Frage hoch: „Wo ist er denn, euer Gott?“ – und dann wissen wir keine Antwort mehr.

Über die Autorin

Andrea Schwarz ist Schriftstellerin, war lange Jahre pastorale Mitarbeiterin im Bistum Osnabrück und lebt im Emsland. Sie ist eine genaue und sensible Beobachterin ihrer Umwelt und der Menschen, denen sie begegnet. In ihren Texten versucht sie, Gott mitten im Alltag zu entdecken und Lust aufs Leben zu machen – nun erstmals auch in Form von Blogbeiträgen!

Gott ist genauso anders wie dieser Advent anders ist. Ja, er ist auch dunkel – im Psalm 18 heißt es sogar: Gott hat das Dunkel als sein Versteck erwählt. Das heißt – und das ist für mich die christliche und erlösende Botschaft dieser Tage! – wir können und dürfen das Dunkel zulassen. Wir dürfen unsere Not und unser Leid zu Gott hin schreien. Und mitten im Dunkel ist er da, geht alle unsere Wege mit – und macht unsere dunkle Nacht zur „heiligen“, zur „geweihten Nacht“. Er achtet die Nacht, tröstet sie nicht einfach weg, verpflastert und übertüncht sie nicht. Nächte sind nicht immer leicht – aber unsere Nächte sind Gott so wertvoll und kostbar, dass er selbst als Kind in diese Nacht hinein kommt. Das ist Weihnachten. Und das ist radikal, existentiell, erlösend. Da geht einer mit mir durch all die Dunkelheiten hindurch. Auch durch dieses Corona-Dunkel des Jahres 2020.

Nein, der Advent ist nicht lieb – und muss es auch gar nicht sein. Aber „lieben“, das könnte gerade in diesem Jahr angesagt sein. Ein wenig achtsam und aufmerksam sein dafür, wo Menschen auch unter Corona leiden – sowohl im Nachbarhaus wie im fernen Südafrika. Verantwortung übernehmen – und auf Abstand achten, so schwer es manchmal fällt. Die Kontakte einschränken, damit andere leben und überleben können. Kreativ neue Formen der Begegnung finden.

„Advent anders“ eben, damit aus einem „lieben Advent“ ein „Advent der Liebe“ werden kann.

 

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