Hart wie ein Kiesel

Hart wie ein Kiesel
Bild: pixabay.com, Manfred Richter

Gott, der Herr, gab mir die Zunge von Schülern, damit ich verstehe, die Müden zu stärken durch ein aufmunterndes Wort. Jeden Morgen weckt er mein Ohr, damit ich höre, wie Schüler hören. Gott, der Herr, hat mir das Ohr geöffnet. Ich aber wehrte mich nicht und wich nicht zurück. Ich hielt meinen Rücken denen hin, die mich schlugen, und meine Wange denen, die mir den Bart ausrissen. Mein Gesicht verbarg ich nicht vor Schmähungen und Speichel. Und Gott, der Herr, wird mir helfen; darum werde ich nicht in Schande enden. Deshalb mache ich mein Gesicht hart wie einen Kiesel; ich weiß, dass ich nicht in Schande gerate.

Jesaja 50,4-7

Das passt grad: Zur Lage in der Kirche, zu mir – wie ich als Christin und Feministin auftrete. Stichwort „Berufung“ …

„Gott gab mir Zunge und Ohren von Schülern, damit ich verstehe und höre“. So soll ich „die Müden stärken.“ Eine tolle Haltung, die oft untergeht: In Gesellschaft, Politik, Kirche. Hören, lernen, aufmerksam sein. Ich behaupte, ich habe eine wertvolle Botschaft zu verkünden – als Christin und im feministischen Auftrag. Aber wenn ich losrenne, als hätte ich die Wahrheit gepachtet, stoße ich meist auf taube Ohren. Ich sollte die Haltung haben, lernen und mehr verstehen zu wollen. So kann ich losziehen: Für mehr Gleichberechtigung oder die Verkündigung der Frohen Botschaft.

Im nächsten Vers: Ich habe diese Beauftragung von Gott und nehme sie an! Gegen Widerstände. Schmähungen, Schläge und Schande. Klingt ein bisschen heldenhaft, aber auch ein bisschen nach Realität. Immer im Wissen um Gottes Hilfe.

Vertrauen und Durchhaltevermögen sind wichtig. Schmähungen nicht persönlich nehmen. Denken: Ach, das geht „hier rein, da raus“. „Deshalb mache ich mein Gesicht hart wie einen Kiesel“. Manchmal muss das sein.

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Aber der Text erschreckt mich auch. Ich glaube, dass uns (gerade als kirchlichen Mitarbeitenden mit dieser „Sendung“ …) sowas schnell passieren kann. Vielleicht geht es nicht direkt um Leute, die mir den Bart ausreißen wollen, aber doch oft ums Weiterkämpfen gegen innere und äußere Widerstände (Kirchenaustrittszahlen oder zu volle Terminkalender).

Ich will das aber nicht: Hart sein wie ein Kiesel. Alles mitmachen. Mich selber nicht ernst nehmen. Durchziehen, notfalls mit Maske vorm Gesicht. Wir sind da schnell an der Grenze zu Verbitterung, Verbissenheit, Sturheit. Ich weiß besser, was richtig ist.

Ich finde, das Bild vom Hartbleiben steht im Gegensatz zum Textbeginn: Aufwachen, lernen wollen, zuhören.

Ich will das nicht, hart sein wie ein Kiesel. Wenn ich unsichtbar werde hinterm Kieselgesicht, wenn ich nicht auch Nein sage, wenn ich (mir!) nicht zuhöre, wenn ich selbst nicht mal „schwach“ sein kann, dann kann ich am Ende niemanden stärken.

Das kauft mir irgendwann keiner mehr ab. Am wenigsten ich selbst.

Katharina Westphal