Inklusive Schulpastoral – Interview mit Dagmar Peters-Lohmann

Inklusive Schulpastoral – Interview mit Dagmar Peters-Lohmann
Bild: Privat

„Schulpastoral unterstützt die Entwicklung einer inklusiven Schule.“

(Die deutschen Bischöfe: Im Dialog mit den Menschen in der Schule. Eckpunkte zur Weiterentwicklung der Schulpastoral, 2020)

Der erste Eckpunkt, den die deutschen Bischöfe nennen, umfasst das Themenfeld Inklusion. Wir haben mit der Pastoralreferentin Dagmar Peters-Lohmann über Inklusion gesprochen. Sie ist seit 2019 im Vitus-Werk Meppen als Seelsorgerin für und mit Menschen mit Behinderungen in der Fachstelle für gemeindenahe Seelsorge tätig.

Was bedeutet für Sie eine inklusive Schule?

Eine inklusive Schule zeichnet sich für mich im Ideal durch eine selbstverständlich gelebte Haltung aus.  Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch in unserer Gesellschaft grundsätzlich dazu gehört und mitmachen kann. Viele Menschen werden behindert, weil durch Zuschreibungen Barrieren in Köpfen vorhanden sind. Dabei sollte es doch eigentlich egal sein, wie ich aussehe, welche Sprache ich spreche oder ob ich eine (zugeschriebene) Behinderung habe: Jeder Mensch ist einzigartig und hat ein Recht auf Würde, Teilhabe und Bildung.

Wenn alle Menschen in einer Gesellschaft dabei sein können, ist es normal verschieden zu sein. Davon haben langfristig alle etwas, wie in diesem Beispiel: Wenn es weniger Treppen gibt, können Menschen mit Beeinträchtigung ihrer Gehfähigkeit viel besser dabei sein. Es ist egal, was die Gehfähigkeit beeinträchtigt: Vielleicht ist das ein gebrochenes Bein, eine fortgeschrittene Arthrose, eine Spastik oder das Baby im Kinderwagen kann einfach noch nicht laufen.

Inklusion ist für mich immer ein Querschnittsthema. Im System Schule sollten für mich in dieser Logik verschiedene Ebenen auch mit externen Netzwerken und Unterstützungssystemen gemeinsam daran arbeiten, dass Zugänge geschaffen werden, wenn es Barrieren zwischen einem konkreten Menschen und seiner Teilhabe bzw. seinen Wünschen und Bedarfen gibt.

Woran denken Sie da?

Beispielsweise können die Zugänge in Wissen um Hilfsmittel und Assistenzen bestehen, die im nächsten Schritt Mittel zur Umsetzung sein. Besonders hier werden Schulen häufig mit dem Thema Inklusion allein gelassen. Andere Professionen mit fachlicher Expertise beispielsweise in Heilerziehungspflege oder Heilpädagogik sollten zusätzlich zur Schulsozialarbeit selbstverständlich die Arbeit der Lehrinnen und Lehrer im Alltag unterstützen können. Zusätzlich braucht es Unterstützung im Antragswesen und der Verwaltung, da Schulen und Lehrkräfte auch hier immer mehr Aufgaben übertragen bekommen haben. Erfahrungsgemäß adressieren Erziehungsberechtigte bei einem erhöhten Unterstützungsbedarf ihrer Kinder ihre Fragen und Ansprüche oft an Lehrkräfte und Schulen, die nicht immer Antworten geben können und müssen. Da entsteht Frustration auf beiden Seiten, wenn den Schulen zu viele zusätzliche Aufgaben zugewiesen werden.

Was würden Sie Kritiker/-innen sagen, die Argumente gegen inklusive Schulen aufführen?

Kritiker/-innen haben in ganz vielen konkreten Punkten Recht. Die derzeitigen Umstände verhindern viel. Inklusion ist Haltung und Prozess, Recht und Ideal. Schulen haben für ihren Auftrag zu wenig Mittel, egal ob personell oder fachlich. Inklusion als Haltung und ein Prozess kostet etwas.

Es braucht Mittel und Räume für individuelle Bedarfe. Die eine Person braucht beispielsweise persönliche Assistenz, die zusätzlich ganz banal einen eigenen Platz im zu kleinen Klassenraum benötigt. Oft braucht es zusätzliche Räume für Rückzug beispielsweise zur Selbstregulation oder Bearbeitung von Aufgaben im verbalen Austausch mit der Assistenz. Individuelle Bedarfe sollen ja nicht über die Gebühr die Bedarfe anderer Teile der Lerngruppe beeinträchtigen, sondern bereichern.

Welche Punkte sind aus Ihrer Sicht wichtig für eine inklusive Schulpastoral?

Schulpastoral kann Türen öffnen und Brücken bauen für eine inklusive Schulkultur und mehr Inklusion in unserer Gesellschaft. Eigentlich arbeitet sie konkret schon oft an dem Thema, wenn sie ihrem Auftrag folgt und bei uns im Bistum für das Motto „Gott und den Menschen nah“ einsteht. Ich gehe davon aus, dass Menschen in der Schulpastoral Empowerment und Inklusion im Einzelkontakt und bei der Planung und Durchführung von Aktionen als Haltung leben.

Aus meiner Sicht könnte Inklusion viel explizierter von der Schulpastoral als Frage an die Schulkultur thematisiert werden. Schulpastorale Angebote und Projekten können zu positiven inklusiven Erfahrungsräumen und Experimenten beitragen, besonders, wenn sie dabei inner- und außerschulische Welten zusammenbringt. Ein Schatz der Schulpastoral ist für mich, dass sie einen Freiraum außerhalb curricularer Vorgaben und Verpflichtungen zur Verfügung hat, den sie für und mit allen Teilen der Schulgemeinschaft und darüber hinaus gestalten kann.

Welche Ideen würden Sie Religionslehrkräften und Schulseelsorger/-innen mit auf dem Weg geben: Was kann ich tun, damit Schritte zu einer inklusiven Schule konkret wird?

Oft besteht zunächst noch viel Bedarf für einen erste Schritt zu mehr Inklusion: Begegnung auf Augenhöhe ermöglichen und für die Lebenswelt von Menschen mit Behinderung sensibilisieren. Daher ist es wichtig, in den Kontakt zu kommen und mehr aus und über die Perspektive der Menschen zu lernen. Projektideen entwickeln sich dann, wie beispielsweise die inklusive AG eines Gymnasiums in Zusammenarbeit mit einer anerkannte Tagesbildungsstätte GE in der Nähe oder übergreifende gemeinsame Projekttage mit Trägern der Eingliederungshilfe.

Laden Sie Menschen mit Erfahrungen ein, gerne als Doppel-Dozententeam gemeinsam mit einer Fachkraft! Geben sie ihnen wertschätzend Raum und Bühne und lassen Sie sie Expertinnen in eigener Sache sein. Für mich persönlich ist ein Zitat von Klaus Hemmerle ganz zentral für die Pastoral: „Lass mich dich lernen, Dein Denken und Sprechen, Dein Fragen und Dasein, damit ich daran die Botschaft neu lernen kann, die ich Dir zu überliefern habe.“ Aus Hören und Lernen werden dann schon passende Formate und Räume. „Liebe, und dann tu, was du willst!“ als Weisung des Kirchenvaters Augustinus übersetzt sich dann in der Praxis zumeist ganz organisch in „Einfach machen!“

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Beim Thema Inklusion ist die (politische) Forderungen der Selbstvertretungen „Nicht ohne uns über uns!“  eine wichtige Überschrift. Frau Peters-Lohmann hat daher einer Beschäftigten, die ehrenamtlich mit ihr in Projekten für mehr Teilhabe und Inklusion zusammenarbeitet, ebenfalls die Fragen des Interviews gestellt und ein paar Antworten bekommen:

Was bedeutet für Sie eine inklusive Schule?

VIEL ARBEIT, WEIL DAS PERSONAL NICHT GESCHULT IST FÜR DAS, WAS DIE SCHÜLERINNEN UND SCHÜLER BRAUCHEN!

Welche Ideen würden Sie Religionslehrkräften und Schulseelsorger/-innen mit auf dem Weg geben: Was kann ich tun, damit Schritte zu einer inklusiven Schule konkret wird?

SEELSORGE IST WICHTIG, WEIL PSYCHOLOGEN SELTEN DA SIND: MENSCHEN MIT (KOGNITIVEN) BEHINDERUNGEN SPRECHEN GERNE MIT FREMDEN LEUTEN ZU DENEN SIE VERTRAUEN HABEN KÖNNEN:

LEHRER SOLLTEN ÜBER ALLE RELIGIONEN ETWAS BEIBRINGEN. SIE SOLLEN MIT ALLEN SPRECHEN, EGAL WELCHER GLAUBEN.

VERBINDUNG ZUR KIRCHE TUT VIELEN MENSCHEN MIT BEHINDERUNGEN GUT, WEIL DA IST ECHT SEELISCHER BEISTAND, DA IST VERBINDUNG ZWISCHEN ALLEN. DAS IST GUT!

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Die deutschen Bischöfe: Im Dialog mit den Menschen in der Schule. Eckpunkte zur Weiterentwicklung der Schulpastoral (2020), abrufbar unter: https://www.dbk-shop.de/media/files_public/fb75e6a8a3521d2540f8b067799736b0/DBK_1108.pdf

Bildung

Medienstellen Lingen, Osnabrück und Papenburg

Im Bistum Osnabrück gibt es an drei Standorten Medienstellen/Religionspädagogische Arbeitsstellen: In Lingen, Osnabrück und Papenburg. Diese stellen Interessierten Medien, Materialien und Literatur für die Arbeit in der Gemeinde, im Religionsunterricht und im Kindergarten zur Verfügung. Weiter Infos und Öffnungszeiten gibt es auf der Internetseite: www.medienstelle-osnabrueck.de

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