Maria und ihr Schweigen

Maria und ihr Schweigen
Bild: pixabay.com, falco

In jener Zeit eilten die Hirten nach Betlehem und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag. Als sie es sahen, erzählten sie von dem Wort, das ihnen über dieses Kind gesagt worden war. Und alle, die es hörten, staunten über das, was ihnen von den Hirten erzählt wurde. Maria aber bewahrte alle diese Worte und erwog sie in ihrem Herzen. Die Hirten kehrten zurück, rühmten Gott und priesen ihn für alles, was sie gehört und gesehen hatten, so wie es ihnen gesagt worden war. Als acht Tage vorüber waren und das Kind beschnitten werden sollte, gab man ihm den Namen Jesus, den der Engel genannt hatte, bevor das Kind im Mutterleib empfangen war.

Lukas 2,16-21

Im vierten Jahrhundert lebt der Mönch Pambo in der ägyptischen Wüste. Eines Tages kam der Erzbischof von Alexandrien zu Besuch und die anderen Mönche baten Pambo, dass er sich in einer Ansprache an den Erzbischof wende, damit dieser innerlich gestärkt werde. Pambo antwortete: „Wenn er aus meinem Schweigen keinen Nutzen ziehen kann, dann kann er es auch nicht aus meiner Rede.“

Von Maria, der Mutter des Jesus von Nazaret, berichtet die Bibel sehr diskret. Noch verhaltener überliefert sie Worte, die Maria gesprochen haben soll. Da findet sich nur wenig in den Texten der Evangelien. Von daher zeigt das Evangelium des Neujahrstages den wesentlichen Zug Marias: ihr Schweigen! Es ist keine Sprachlosigkeit. Auch bleibt ihr nicht die Spucke weg oder das Wort im Halse stecken. Ihr Schweigen ist vielmehr eine persönliche Antwort auf alle Ereignisse, die sie erlebt hat. Man kann es Reflektieren, Betrachten, Erwägen oder Nachdenken nennen. Maria ist das Urbild christlicher Meditation.

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Der Hl. Augustinus beschreibt Maria so: „Mehr noch als sie Mutter war, war sie die Jüngerin Christi.“ Maria ist Jüngerin ihres kleinen Jesus! Sie ist Jüngerin des neugeborenen Kindes. Sie hört nicht nur die Worte des erwachsen gewordenen Mannes, sondern auch das, was das Kind Jesus zu sagen hat, selbst wenn es noch nicht sprechen kann. Ein Kind, das noch nicht sprechen kann, wird ihr Lehrer und Meister. Maria lernt auf schweigsame Weise von ihrem Kind und wird so seine Schülerin. Maria schaut ihr Kind an. Sie achtet auf seine Mimik, Gestik und Laune. Sie hält, trägt und nährt es. Sie flüstert ihm zu und singt ihm vor. Sie beruhigt es und freut sich an ihm. Das Kind kann und muss nichts machen oder produzieren. Es muss kein Superheld sein, der die Welt rettet. So lehrt das Kind Jesus seine Mutter. Es ist ein Miteinander des Liebens und sich Lieben lassen.

Die Kirche bekennt Jesus als Gott und Mensch zugleich. Gott ist in einem Kind da und erfahrbar. Gott zeigt sich als mein, als unser Kind. Ich darf mit ihm einen vertrauten Umgang pflegen wie es Maria tut. Gott will aber letztlich in mir erwachsen werden wie ein Kind das heranreift. Das muss ich zulassen, muss abwarten und schauen. Das kann aber nur in meinem Schweigen seinen Raum finden. Man kann es mit der Politikerin Julia Klöckner auch etwas rustikaler formulieren, die den deutlichen Rat gab: „Vielleicht einfach mal die Klappe halten.“ Ist das alles verkehrte Welt? Eher nicht, sondern eine Einladung an uns für das nun beginnende neue Jahr.

Pastor Michael Lier