Mehr Weisheit bitte!

Frau macht Yoga am Meer
Bild: AdobeStock.com, Ant

Lasst uns doch bitte mit ein bisschen mehr Weisheit in dieses Jahr starten! Klug, aufrichtig und umsichtig. Mit einer Portion alter Lebenserfahrung und einer Prise jungem Wagemut. Mit dem Wunsch, das Leben für alle gelingen zu lassen – so würde Sie es tun, Frau Weisheit, und sie muss es ja wissen: Sie war schon dabei, als Gott die Welt baute (sagt das Erste Testament).

Doch noch mal zum Anfang. „Im Anfang war das Wort“, schreibt Johannes; Annette Jantzen schreibt, man könne das auch mit Weisheit übersetzen, „im Anfang war die Weisheit“. Die beiden Worte ähneln sich in ihrer Bedeutung im frühjüdischen Denken. Jantzen schreibt zu Jahresbeginn auf ihrer Instagram-Seite @gotteswort_weiblich einen Beitrag dazu. Ich bleibe daran hängen: Ich bin Fan von Frau Weisheit, seit ich in Sprüche 8 gelesen habe, dass sie, während Gott am Anfang die Berge abmisst und dem Meer sein Gesetz gibt, dabei ist und spielt.

Die Weisheit liebt es, nah bei Gott zu sein, und sie liebt das Leben. Es geht ihr nicht darum, Faktenwissen anzuhäufen oder das exakte Maß für die Berghöhe zu bestimmen, sie will Leichtigkeit und Freude – bei allem Bestreben, ein gutes Leben zu führen, das Gott gefällt.

Und, wie gesagt, die Weisheit ist weiblich. Die Bibel ist keine Ausnahme in der Literatur – alles Starke, Weltentscheidende, Mächtige wird überwiegend männlich dargestellt, so ist das auch mit den Bildern, die sie von Gott entwirft. Aber mittendrin tanzt und spielt eine, auf die es eben genauso ankommt: Frau Weisheit.

Über die Autorin

Katie Westphal ist Pastoralreferentin. Sie schreibt Texte über Lebens- und Alltagsfragen und ist immer auf der Suche nach der richtigen Hintergrundmusik. Außerdem erzählt sie gern davon, wie es ist, Christin und Feministin zu sein: Eine gute Kombination, wie sie findet.

Heute erleben wir zum Beispiel im Berufsleben oder in der Schule, wie Männer als durchsetzungsstark, Frauen als aufmüpfig bezeichnet werden. Männer sind kritisch, Frauen kratzbürstig. Um erfolgreich zu sein, muss man hart und rational sein, Emotionen sollten zurückgestellt werden, man „darf alles nicht so an sich heranlassen“. Gefühl wird tendenziell eher als weiblich angesehen, und na ja, da wissen wir ja, wie sowas meist endet …

In der Reitlehre gibt es die „Ausbildungsskala“, die die wichtigen Parameter auflistet, nach der man ein Pferd ausbilden soll, damit das Reiten harmonisch und gesund (für das Pferd) ist. Gleich auf zweiter Stufe steht da Losgelassenheit: Es geht um Lockerheit und Leichtigkeit, also das Gegenteil von Verbissenheit und Anspannung. Eher ums „Weichsein“ als „ Starksein“. Finde ich weise.

Ungefähr zum gleichen Zeitpunkt, zu dem ich den Beitrag von Jantzen lese, entdecke ich ein YouTube-Video mit einem Interview der Liedermacherin Sarah Le. Der Typ, der das Gespräch führt, fragt, ob die lange Geschichte des Hauses, in dem sie heute auftrete, eine Bedeutung für sie hat. Sie antwortet, dass sie sich Zahlen und Fakten immer so schlecht merken könne. Dass sie eher nach Gefühl geht und einfach guckt, wie ein Ort auf sie wirkt. Dass sie es spüren würde, wenn da eine Geschichte drinstecke. Wie cool, das so zu sagen: So oft fühle ich mich schlecht, weil ich meine, zu wenig historisches Wissen zu haben, dabei ist das doch wichtig. Und Zahlen kann ich mir einfach nicht gut merken. Sie erklärt ganz unumwunden, dass das Gefühl für sie eine größere Bedeutung hat als Zahlen und beschließt einfach, dass das okay so ist. Dass das einen genauso entscheidenden Wert hat.

Frau Weisheit würde da  vermutlich zustimmen. Also, lasst uns diesen Anfang genauso beginnen: Mit Gefühl, mit Leichtigkeit, mit Spiel und Tanz. Weise eben.

Ein Kommentar zu “Mehr Weisheit bitte!

  1. Hallo Frau Westphal,
    ein sehr kreativer Beitrag! Wo steht denn in Sprüche 8, dass die Weisheit weiblich bzw. eine Frau ist? In Vers 29/30 steht doch: „[…] als er die Fundamente der Erde abmaß, da war ich als geliebtes Kind bei ihm“.

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