Eine Ordensfrau mit Herz

Ein vertrautes Bild: Wer bei gutem Wetter am Herrenteichswall in Osnabrück, neben Domschule, Hochhaus und Herz-Jesu Kirche mit dem Fahrrad entlangfährt, der begegnet Frauen und Männern mit ihren Rollatoren.
Sie drehen ihre Runde entlang der Hase. Der Weg an der Hase ist beliebt, für einen Ausflug an der frischen Luft. Ältere und kranke Osnabrücker, Schüler und Studierende, Liebespärchen, Brüder und Schwestern von der Straße halten sich hier gerne auf.
Zu diesen unterschiedlichen Menschen und Gruppen gesellt sich mit ihrem Rollator die betagte Schwester Godehard. Sie gehört zum Bild von diesem Osnabrücker Stadtteil. Tag für Tag trifft man sie an der Hase oder auf der Straße am Herrenteichswall. Sie kennt die Menschen, die hier tagsüber zuhause sind. Auch zu den Steinmetzen, die eine alte Stadtmauer seit Monaten renovieren, hat sie Kontakt. Sie ist einfach da, beobachtet bei guten Wetter auf der Bank die Enten auf der Hase und unterhält sich mit anderen Spaziergängerinnen und Spaziergängern. Sie kennt viele Lebensgeschichten der Menschen an der Hase. Mit großem Respekt spricht sie von ihren Bekannten.
In erster Linie hört sie zu und gibt Tipps, wenn das Geld nicht reicht und sich der Hunger meldet. Aufgrund ihrer eigenen körperlichen Situation kann sie keine Hilfe organisieren. Sie gibt aber Informationen weiter und etwas anderes ist bei den Menschen um sie herum geschätzt:
Über den Autor
Theo Paul ist Domkapitular und unter anderem für die Krankenhäuser, Klöster und geistlichen Orte im Bistum Osnabrück zuständig. In seinen Blogbeiträgen greift er gerne aktuelle Themen auf
Schwester Godehard schenkt ihnen Aufmerksamkeit und Interesse. Sie hört immer wieder zu und verteilt kleine Geschenke (je nach Jahreszeit verschieden). Zum Beispiel in der Osterzeit verschenkt sie gerne Ostereier. Mitten am Tag, mitten in der Woche ein bescheidenes Zeichen der Wertschätzung. Fragt man Schwester Godehard, ob sie nicht Angst hat, überfallen und ausgeraubt zu werden, so antwortet sie: „Ich bin unter Bekannten und Freunden. Wir verstehen und achten uns.“
Ich staune immer wieder, wenn ich mit dem Fahrrad an der Hase entlangfahre und Schwester Godehard sehe. Sie ist für mich ein Beispiel lebendiger, menschenfreundlicher, beweglicher Kirche – mit Rollator. Ich freue mich über diese offene Ordensfrau mit Herz.