Pionierinnen

Ausstellung Frauenorte Niedersachsen
Bild: Erika Ehlerding

Nach einer engagierten Diskussionsveranstaltung mit dem Postwachstumsforscher Nico Paech kehrt Ruhe im Forum am Dom ein. Die letzten Gäste sind gegangen. Alles ist aufgeräumt, ich bin allein und doch nicht ohne Gesellschaft. 17 Persönlichkeiten umgeben mich. Einige ihrer Gesichter scheinen mich aufmerksam anzuschauen. Und ich spüre auf einmal, welche Ausstrahlung von ihnen ausgeht.

Allesamt Frauen, Pionierinnen, die etwas Außergewöhnliches bewegt und geleistet haben. Zurzeit ist die Wanderausstellung „FrauenOrte“ des Landesfrauenrates Niedersachsen im Forum am Dom zu sehen.  Sie zeigt bedeutende Frauen, die in den vergangenen Jahrhunderten in Niedersachsen gelebt und gewirkt haben.

Ausstellung Frauenorte NiedersachsenDazu gehört die Pädagogin Helene Lange, die 1848 in Oldenburg geboren wurde. Als Mädchen noch kein Abitur machen durften, setzte sie sich als Lehrerin für das uneingeschränkte Recht der Frauen auf Bildung, auf Abitur und ein Universitätsstudium ein. Sie bot in Berlin Gymnasialkurse für Mädchen an und ermöglichte ihnen so, das Abitur und die Zulassung zu einem Studium zu erreichen.

Zu sehen ist auch ein Portrait von Anita von Augspurg, die 1857 in Verden geboren wurde. Als erste promovierte Juristin in Deutschland trat sie für die Einführung des Frauenwahlrechts ein. Sie erkannte frühzeitig die furchtbaren Gefahren des Nationalsozialismus und warnte eindringlich davor.

Besonders beeindruckt mich Recha Freier (geb.1892 in Norden, gest.1984 in Jerusalem). Mit ihren Eltern und Geschwistern gehörte sie zur Synagogengemeinde in Norden und erlebte bereits sehr früh antisemitische Anfeindungen. Als studierte Frau und Mutter von vier Kindern zeigte sie später einen unglaublichen Mut. Sie gründete die Bewegung „Alija Jugend“ und organisierte die Auswanderung unzähliger Jugendlicher mit jüdischer Herkunft aus Deutschland nach Palästina. Über 7600 junge Menschen rettete sie so vor der Ermordung durch die Nationalsozialisten. Unermüdlich war sie dafür unter äußerst gefährlichen Bedingungen im Einsatz, auch, als sie selbst aus Deutschland fliehen musste. 1981 erhielt sie für ihre Verdienste die höchste Auszeichnung des israelischen Staates, den Israel-Preis.

Mit einem entschiedenen Blick schaut die Ordensfrau Sr. Kunigunde aus Haren auf einem Roll-Up in unseren Raum. Seit 1935 gehörte sie zu den ersten staatlich geprüften Kindergärtnerinnen und Hortnerinnen. Die langjährige Leiterin des Harener Kindergartens wurde besonders durch ihren mutigen Einsatz am Ende des 2. Weltkrieges bekannt. Sie hisste vom Kirchturm eine weiße Fahne und bewirkte dadurch, dass Haren 1945 gewaltfrei den kanadischen Truppen übergeben wurde.

Über die Autorin

Daniela Engelhard ist Leiterin des Forums am Dom in Osnabrück. Bei der Arbeit in dieser Einrichtung der Citypastoral kommt sie mit vielen unterschiedlichen Menschen in Kontakt. Von Erlebnissen und Themen, die sie bewegen, berichtet sie in ihren Blogbeiträgen.

„Ich lasse mir nichts gefallen, und ich finde das nicht stark, ich finde das selbstverständlich.“ Diese Worte stammen von Cilli-Maria Kroneck-Salis (1923 – 2010), die aus dem Landkreis Osnabrück stammt und ebenfalls zu den ausgezeichneten Persönlichkeiten gehört. Sie gründete 1978 den Verein zum Schutz misshandelter Frauen und war entscheidend beteiligt an der Eröffnung des autonomen Frauenhauses in Osnabrück. Bis heute bietet es von Gewalt bedrohten Frauen und Kindern einen Zufluchtsort. Jede Stunde ist in Deutschland eine Frau einer gefährlichen Körperverletzung ausgesetzt, jeden dritten Tag stirbt eine an den Folgen von Gewalt. Am 25. November wird der internationale „Tag gegen Gewalt an Frauen“ begangen.

Wie wichtig ist es, die Erinnerung an diese mutigen und klugen Pionierinnen wach zu halten. Mir ist oft zu wenig bewusst, dass sie uns Frauen heute den Weg geebnet haben. Wir verdanken ihnen viel.

 

2 Kommentare zu “Pionierinnen

  1. Kirchliche Räume
    Zu Gast im Forum am Dom war die Wanderausstellung frauenORTE Niedersachsen. Ein kirchlicher Raum bot genau den würdigen Ort, den diese Frauenporträts verdienten.Viele interessierte Besucherinnen und Besucher fanden den Weg hierher, um sich alleine oder in geführten Gruppen zu informieren. Unbequem,Mut machend, nicht die Dinge laufen lassen, Stellung beziehen.Das spiegeln diese Frauenporträts wider. Mit ihnen bekommt Geschichte ein Gesicht.

  2. Es hat uns Freude bereitet, diesen mutigen Frauen einen Raum zu geben und das Interesse vieler Besucherinnen und Besucher zu erleben. Heute ist der letzte Ausstellungstag und ich werde die Frauenportraits richtig vermissen.

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