Sich aufrichten – sich ausrichten

Mann mit ausgebreiteten Armen vor einem Sonnenaufgang
Bild: pixabay.com, avi_acl

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Es werden Zeichen sichtbar werden an Sonne, Mond und Sternen und auf der Erde werden die Völker bestürzt und ratlos sein über das Toben und Donnern des Meeres. Die Menschen werden vor Angst vergehen in der Erwartung der Dinge, die über die Erde kommen; denn die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden. Dann wird man den Menschensohn in einer Wolke kommen sehen
mit großer Macht und Herrlichkeit. Wenn dies beginnt,
dann richtet euch auf, und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe. Nehmt euch in Acht,
dass Rausch und Trunkenheit und die Sorgen des Alltags euer Herz nicht beschweren und dass jener Tag euch nicht plötzlich überrascht, wie eine Falle; denn er wird über alle Bewohner der ganzen Erde hereinbrechen. 36 Wacht und betet allezeit, damit ihr allem, was geschehen wird, entrinnen und vor den Menschensohn hintreten könnt.

Lukas 21,25-28.34-36

 

Die Mitte des Evangeliums zum 1. Advent regt zu einer Körperbewegung an: „Richtet euch auf, erhebt eure Häupter!“ Wenn man diese Anregung wörtlich nimmt und körperlich vollzieht, merkt man, wie sich der Brustraum weitet, wie sich der Kopf wie oben streckt, wie sich der Horizont weitet und wie ein erhebendes, befreiendes Lebensgefühl in uns spürbar wird. Diese Körperbewegung hat Rückwirkung auf die Seele, auf die innere Mitte von uns Menschen. Das erste biblische Wort in der ersten Eucharistie im neuen Kirchenjahr weiß um diese Grundbewegung: „Zu dir, Herr, erhebe ich meine Seele.“ Körper und Geist, Leib und Seele – der ganze Mensch richtet sich aus auf Gott hin, der uns Erlösung zusagt. Dieses Sich-Auf-Richten und Sich-Aus-Richten ist wie der Augenblick, in dem man beim Beginn einer Autofahrt sein Navi auf das Ziel hin ausrichtet, zu dem man unterwegs sein will.

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Am Anfang des Advents richten wir unser geistiges Navi auf Gott hin aus. Ich bin überzeugt: Wenn wir uns jeden Morgen nach dem Aufstehen gerade hinstellen, alles, was uns schon am frühen Morgen durch Kopf und Körper und Seele geht, für einen Augenblick absetzen, so wie man in einer Wanderung einen Rucksack absetzt, indem man die Schultern hebt, sich nach hinten reckt und – imaginär – den Rucksack auf einen Mauervorsprung loslässt und frei von der Last die Arme wie zum Empfang ausbreitet, dann wird diese Körperübung ein gutes Gebet sein, das unseren Blick nach oben wendet und uns in Verbindung mit dem Geheimnis bringt, dass wir „Gott“ nennen. Diese befreienden Augenblicke dürfen wir uns im Advent täglich schenken – im gläubigen Vertrauen, dass wir zu Gott unterwegs sind.

Pater Franz Richardt