Sonntag – ein Tag der Freude
Gedenke des Sabbats. Halte ihn heilig! Sechs Tage darfst du schaffen und all deine Arbeit tun. Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem HERRN, deinem Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun: du und dein Sohn und deine Tochter, dein Sklave und deine Sklavin und dein Vieh und dein Fremder in deinen Toren. Denn in sechs Tagen hat der HERR Himmel, Erde und Meer gemacht und alles, was dazugehört; am siebten Tag ruhte er. Darum hat der HERR den Sabbat gesegnet und ihn geheiligt.
Exodus 20,8-11
Der Psychoanalytiker Erich Fromm (1900-1980) nannte den Sabbat „die wichtigste Idee innerhalb der Bibel“ und eine „der großen Errungenschaften in der Evolution des Menschen“. Es sei die einzige strikte religiöse Anweisung der Zehn Gebote und es sei das am striktesten befolgte Gebot in den 2000 Jahren des jüdischen Lebens in der Diaspora, „ein Lebensquell für die in alle Winde zerstreuten, machtlosen und oft verfolgten Juden“.
Die richtige Weise, den Sabbat zu leben, führte immer wieder zu Auseinandersetzungen Jesu mit den Schriftgelehrten und offiziellen Vertretern seines eigenen Volkes. Man mag sich unschwer vorstellen, wie sehr dieser Streit an die Substanz ging. Am bekanntesten ist wohl das im Markus-Evangelium überlieferte Jesus-Wort: „Der Sabbat wurde für den Menschen gemacht, nicht der Mensch für den Sabbat. Deshalb ist der Menschensohn auch Herr über den Sabbat.“ (Mk 2,27f)
In der Urkirche der Christen verdrängte mehr und mehr der Sonntag als erster Tag der Woche und Tag der Auferstehung Jesu den Sabbat. In den Briefen des Apostels Paulus an die Christen in Korinth und in der Apostelgeschichte ist die Entstehung des „Herrentags“ in Anlehnung an das „Herrenmahl“ eindrucksvoll nachzulesen. Im Mittelpunkt stand seit frühesten Zeiten das gemeinsame Mahl, die Eucharistie. Die Kollekte für die Armen der Urgemeinde in Jerusalem wurde als Antwort auf die im Mahl empfangene Liebe ein wesentlicher Bestandteil.
Die heutige Bedeutung des Sonntags prägte aber ein römischer Kaiser. Am 3. März im Jahre 321, also vor 1700 Jahren, legte der römische Kaiser Konstantin mit einem Edikt die Grundlage für den Sonntag als Ruhetag. Dieses Edikt ist nicht zu verwechseln mit seinem Dekret aus dem Dezember des gleichen Jahres auf eine Anfrage aus Köln, mit dem erstmals jüdisches Leben nördlich der Alpen belegt ist. Grund für viele Feiern in diesem Jahr.
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Konstantin lehnte sich bei seinem Dekret zum Sonntag als Ruhetag inhaltlich aber an das Sabbatgebot des Judentums an. Sonntagsarbeit war nun auch den Christen verboten. Alle, auch Sklaven und das ganze Haus, sollten an den Gottesdiensten teilnehmen können.
Konstantin war ein kluger Mann; er wusste, dass ein noch so frommes Gebot, das aber keine Rücksicht auf die elementaren Bedürfnisse des Menschen nimmt, kaum Chancen hat. So gestattete er Ausnahmen. Vor allem für Landwirte und Erntehelfer. Ein Einfallstor für viele Ausnahmen, die rasch zur Regel wurden. Von kirchlicher Seite gab es zunächst auch Kritik am vermeintlichen Müßiggang des Ruhetages.
Was folgte, war ein Jahrhunderte langer Kampf um den Sonntag als Ruhetag. Kirchen und Gewerkschaften kämpften – man glaubt es kaum – Seite an Seite. Vor allem in den Anfängen der Industrialisierung, als der freie Sonntag zu verschwinden drohte. Heute ist in unseren Breitengraden die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung ein verlässlicher Wächter des Ruhetags.
Seit den Zeiten der Weimarer Reichsverfassung ist der Sonntag zwar in unserer Verfassung – heute Grundgesetz – verankert – „als Tag der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung“. Aber bedroht ist er immer noch. Vielleicht sogar mehr denn je. Nicht allein durch Arbeit oder Konsum und Freizeitstress. Neu hinzugekommen ist die ständige Verfügbarkeit über digitale Medien. Wir sprechen hier von einer 24/7 Gesellschaft: also 24 Stunden an sieben Tagen sind wir innerlich online, erreichbar. Das kann unsere Seele krank machen.
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Was die christlichen Kirchen und Pfarrer Maik aus dem Bistum Osnabrück zum freien Sonntag zu sagen haben, dazu hier mehr!
Widmen wir uns deshalb einem, der helfen kann. Da kommen wir wieder zum deutsch-amerikanischen Psychoanalytiker Erich Fromm. Er kritisiert in seinem Buch „Haben oder Sein. Über die seelischen Grundlagen der Gesellschaft“: „Der moderne Sonntag ist ein Tag des Weglaufens von sich selbst.“ Fromm empfiehlt daher eine erneute Orientierung am Sabbat, der mehr bietet, als nur Ruhetag zu sein. Da lebe nämlich der Mensch, so Fromm, „als hätte er nichts, als verfolge er kein Ziel, außer zu sein, das heißt, seine wesentlichen Kräfte auszuüben – beten, studieren, essen, trinken, singen, lieben“. Also nicht weglaufen, sondern ankommen bei sich selbst und dem Anderen.
Der Sabbat sei ein Tag der Freude, schreibt Fromm weiter, weil der Mensch an diesem Tag ganz er selbst sei. Das sei auch der Grund, warum der Talmud – eines der bedeutendsten Schriftwerke des Judentums – den Sabbat die Vorwegnahme der Messianischen Zeit nenne, und „die Messianische Zeit den nie endenden Sabbat als Tag, an dem Besitz und Geld ebenso tabu sind, wie Kummer und Traurigkeit, an dem die Zeit besiegt ist und ausschließlich das Sein herrscht“. „Man könnte fragen, „schreibt Fromm, „ob es nicht an der Zeit wäre, den Sabbat als universalen Tag der Harmonie und des Friedens einzuführen.“
Diakon Gerrit Schulte