Steine oder Sushi oder Lebensfragen sammeln

two chopsticks with sushi on them on a blue and pink background
Bild: unsplash.com, Jakub Dziubak

Ich bin vor dem Regen ins Sushi-Restaurant geflüchtet und habe beschlossen, dass ich hier eine kurze Mittagspause einlege. Erst, als ich mich aus meiner nassen Jacke schäle, bemerke ich, dass auf dem Tisch, den ich mir ausgesucht habe, eine dicke Blockkerze brennt. Ich erinnere mich daran, dass ich mir vorgenommen habe, öfter mal zu beten und verstehe die Kerze einfach mal als Gesprächsangebot.

„Danke“, beginne ich in Gedanken.

„Da nich‘ für“, sagt Gott. „Eine Menge hast du ohnehin selbst dafür getan.“

Ich lächle.

Kurze Zeit später kommt die vegetarische Sushiplatte.

„Ich habe so viele Fragen in letzter Zeit“, sage ich, während ich die Stäbchen auspacke. Liegt vielleicht ein wenig an unserer Sendungsfeier, für die wir das Motto „fragt von ganzem Herzen“ (aus Jer 29,13) ausgewählt haben.

„Das Gute an manchen Fragen ist, sie müssen gar nicht zwingend beantwortet werden. Sie dürfen auch im Raum schweben bleiben und sind einfach eine Inspiration an sich“, schlägt Gott vor.

Ich freue mich, dass ich mittlerweile ganz gut mit Stäbchen umgehen kann.

Über die Autorin

Katie Westphal ist Pastoralreferentin. Sie schreibt Texte über Lebens- und Alltagsfragen und ist immer auf der Suche nach der richtigen Hintergrundmusik. Außerdem erzählt sie gern davon, wie es ist, Christin und Feministin zu sein: Eine gute Kombination, wie sie findet.

„Vielleicht lassen sich einige Fragen auch überhaupt gar nicht beantworten“, denke ich, während ich die verschiedenen Sushi-Rollen betrachte. Wir sammeln einzelne Häppchen an Lebensschritten und wissen nicht – waren das jetzt die richtigen (und was heißt das schon?), führen die uns weiter, tun sie uns gut, bringen sie Herausforderungen, zeigen sie irgendwann ihr wahres Gesicht? Der ein oder andere Schritt ist vielleicht auch dazu da, dass er einfach in diesem Moment gut schmeckt und dann wieder verfliegt. Oder man etwas daraus lernt: Mir gerät ein bisschen zu viel Wasabi auf die nächste Maki-Rolle. Ein Kribbeln breitet sich in meiner Nase aus. Beim nächsten Mal definitiv weniger nehmen.

We gather stones, never knowing what they‘ll mean: Some to throw, some to make a diamond ring.“ („Wir sammeln Steine und wissen nie genau, welche Bedeutung sie haben werden: Manche, um sie zu werfen, manche, um daraus Diamant-Ringe zu machen.“): Mich beschäftigt schon lange, ob Taylor Swift in ihrem Lied „My tears ricochet“ bei dieser Zeile eigentlich an den Vers aus Kohelet 3,5 gedacht hat oder ob das Zufall ist: „[Es gibt] eine Zeit zum Steinewerfen und eine Zeit zum Steinesammeln.“ Habe das nie ganz verstanden und die Liedzeile hat mir plötzlich geholfen: Lebensfragen beantworten sich selten von allein, aber bisweilen steckt die Antwort unerkannt schon drin: Wir sammeln Steine bzw. Sushi (was ist eigentlich der Singular oder Plural von Sushi? Weiß das jemand?) bzw. Lebenspuzzlestücke. Manche sind eben zum (Weg-)Werfen und manche entpuppen sich als wunderschön und wertvoll. Oder auch irgendetwas dazwischen.

„Alter“, meldet sich Gott, „bist du eigentlich zwischendurch selbst genervt, dass dein Pastoralreferentinnen-Hirn aus allem so einen Wust an Bedeutungen bastelt?“

„Danke für die Gesellschaft“, murmle ich kauend und beschließe, das letzte Stück einfach nur zu genießen.

„Immerhin hat mir dieser Wust jetzt einen neuen Bistumsblog-Text eingebracht“, ergänze ich.

„Sehr viele Steine habe ich auch einfach auf die Erde geworfen“, sagt Gott schon im Weggehen, „damit sie einfach nur rumliegen.“

Schreibe einen Kommentar

Die von Ihnen verfassten Kommentare erscheinen nicht sofort, sondern erst nach Prüfung durch das Bistum Osnabrück. Erforderliche Felder sind mit einem * markiert. Bitte beachten Sie unsere Datenschutzerklärung.