Trotzdem

Frau auf Aussichtsplattform
Bild: pexels.com, Andre Furtado

In jener Zeit sagte Jesus seinen Jüngern durch ein Gleichnis, dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten: In einer Stadt lebte ein Richter, der Gott nicht fürchtete und auf keinen Menschen Rücksicht nahm. In der gleichen Stadt lebte auch eine Witwe, die immer wieder zu ihm kam und sagte: Verschaff mir Recht gegen meinen Widersacher! Und er wollte lange Zeit nicht. Dann aber sagte er sich: Ich fürchte zwar Gott nicht und nehme auch auf keinen Menschen Rücksicht; weil mich diese Witwe aber nicht in Ruhe lässt, will ich ihr Recht verschaffen. Sonst kommt sie am Ende noch und schlägt mich ins Gesicht. Der Herr aber sprach: Hört, was der ungerechte Richter sagt! Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen, sondern bei ihnen zögern? Ich sage euch: Er wird ihnen unverzüglich ihr Recht verschaffen. Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf der Erde finden?

Lukas 18,1–8

Der Text oben ist kein Gleichnis-Klassiker. Keines welches uns aus Kinderkirche, Erstkommunionvorbereitung oder aus dem Religionsunterricht vertraut und geläufig ist. Das Gleichnis vom ungerechten Richter oder der bittenden Witwe.

Es bezieht sich in seiner Aussage auf die Wiederkunft Christi, auf das „Dann“ wird es so sein und sich vollenden. Dann wird er „ihnen unverzüglich Recht verschaffen“.

Eine Perspektive, die über das Irdische, über das Hier und Jetzt hinausgeht, zeichnet alle Religionen aus; ist auch unverzichtbar im Angesicht der Unbegreiflichkeit des Lebens und Sterbens.

Ich will allerdings nicht glauben, dass sich das Recht auf Gleichberechtigung aller Menschen unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, sexueller Orientierung, erst irgendwann im Jenseits einlösen wird.

Das Bibelfenster

Hier kommentieren jede Woche Menschen aus dem Bistum Osnabrück eine Bibelstelle aus einer der aktuellen Sonntagslesungen – pointiert, modern und vor allem ganz persönlich.

Haben Sie eine Frage? Oder eine ganz andere Idee zum Thema?

Dann schreiben Sie uns!
An bibelfenster@bistum-os.de

Ich will heute die Beharrlichkeit der Witwe sehen, ihren Mut, ihren Selbstwert, dessen sie sich bewusst ist, auch wenn andere ihn ihr absprechen; ihre Durchsetzungs- und Widerstandskraft, ihren Stolz, ihr Trotzdem …

Diese Haltung trug in Welt- und Zeitgeschichte immer Früchte, von denen ich allzu oft vergesse, wie hart erkämpft und erschreckend jung manche noch sind.

In einem Text von Josephine Teske – evangelische Pastorin, Mitglied im Rat der EKD – begegnete mir Anfang des Jahres eine „Trotzdem-Frau“, die stellvertretend, wie die Witwe im Gleichnis, für die Ohnmächtigen, Marginalisierten, Unterdrückten, Diskriminierten steht und an die Würde eines jeden Menschen appelliert:

Tamar ist eine Trotzdem-Frau. Stellt sich innerlich auf und sagt:

Ich will es trotzdem machen. Vertrauen, dass es gut ausgeht. In einer Welt, die mich klein machen will.
Der ich nichts zu bedeuten scheine.
Die mir sagt, sie brauche mich nicht.
Trotzdem.
Deshalb.

Weil ich eine gute Zukunft für mich möchte.
Nicht verzweifeln will.
An das Gute glauben mag.
Muss.

Deshalb tue ich trotz allem dies hier – trotzdem.
Mit Blick in den Himmel.

Josephine Teske: www.seligkeitsdinge.de

Das ist in meinen Augen ein ziemlich starkes Gebet an den Schöpfer dieser Welt.

Pastoralreferentin Vera Jansen