Verfahren zur Anerkennung des Leids Betroffener

Im Bistum Osnabrück ist zum 1. Januar 2021 eine neue Verfahrensordnung zur Anerkennung des Leids Betroffener von sexueller Gewalt in Kraft getreten. Das bereits seit 2011 in der deutschen katholischen Kirche praktizierte Verfahren zur materiellen Anerkennung erlittenen Leids wurde damit abgelöst. Das jetzige Verfahren sieht unter anderem die Festlegung und Auszahlung von Leistungen durch eine unabhängige Kommission auf Bundesebene sowie einen größeren Leistungsrahmen vor, der sich am deutschen Schmerzensgeldrecht orientiert. Am 23. Januar 2023 gab es erneut Verfahrensänderungen, durch die ein Widerspruchsrecht und das Recht auf Akteneinsicht für Betroffene festgelegt wurden.

In der Präambel zur Verfahrensordnung heißt es: „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen sowie an schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen – gerade wenn Kleriker, Ordensleute oder Beschäftigte im kirchlichen Dienst solche Taten begehen –, erschüttert nicht selten bei den Betroffenen und ihren Angehörigen sowie Nahestehenden und Hinterbliebenen das Grundvertrauen in die Menschen und in Gott. In jedem Fall besteht die Gefahr schwerer physischer und psychischer Schädigungen. Erlittenes Leid kann nicht ungeschehen gemacht werden.“ Durch die materiellen Leistungen soll demnach gegenüber den Betroffenen zum Ausdruck gebracht werden, dass die Bistümer Verantwortung für erlittenes Unrecht und Leid übernehmen.

Das Verfahren zur Anerkennung des Leids besteht für die Betroffenen bewusst in Ergänzung des Rechtsweges zu den ordentlichen Gerichten: Betroffene können ihre Forderungen gegen die Beschuldigten häufig nicht mehr gerichtlich durchsetzen, etwa weil diese verstorben oder die Taten verjährt sind. Diesen und allen Betroffenen sexuellen Missbrauchs bietet das Verfahren die Möglichkeit, einfach und ohne die Belastungen eines Gerichtsverfahrens Geldleistungen zu erhalten. Anders als vor staatlichen Gerichten müssen Betroffene keinerlei Beweise erbringen, weder für den sexuellen Missbrauch noch für seine Folgen. Es genügt, dass die Schilderung der Betroffenen plausibel sind. Die unabhängigen Ansprechpersonen im Bistum Osnabrück bieten Betroffenen in Gesprächen Hilfestellung bei der Antragstellung und der Tatschilderung.

Das Verfahren zur Anerkennung des Leids verläuft in fünf Schritten:

  1. Personen, die als minderjährige oder erwachsene Schutzbefohlene sexuellen Missbrauch erlebt haben, wenden sich an die unabhängigen Ansprechpersonen des Bistums, deren Kontaktdaten hier zu finden sind.
  2. Die unabhängigen Ansprechpersonen führen ein Gespräch und können beim Ausfüllen des Antragsformulars unterstützen.
  3. Der Antrag wird vom Bistum an die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) weitergeleitet.
  4. Die Unabhängige Kommission legt eine Leistungshöhe fest und weist die Auszahlung an Betroffene an.
  5. Die Geschäftsstelle der Unabhängigen Kommission informiert die betroffene Person sowie das zuständige Bistum und zahlt die festgelegte Summe direkt aus.

Zur Transparenz und Unabhängigkeit des Verfahrens trägt insbesondere die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) auf Bundesebene bei. Sie ist interdisziplinär mit Fachleuten aus Recht, Medizin und Psychologie besetzt. Die Mitglieder stehen in keinem Anstellungsverhältnis zu einer (Erz-)Diözese oder einer anderen kirchlichen Einrichtung und arbeiten weisungsunabhängig. Detaillierte Informationen zu den Mitgliedern der UKA gibt es hier.

Die UKA kann, orientiert an den Urteilen staatlicher Gerichte zu Schmerzensgeldzahlungen, Leistungen in entsprechender Höhe festlegen. Damit wird ein außerkirchlicher Bezugsrahmen herangezogen, der gesellschaftlich und der Höhe nach in der Rechtsprechung der deutschen Gerichte verortet ist sowie eine fortlaufende Weiterentwicklung erfährt. Das Verfahren zur Anerkennung des Leids kennt keine Höchstgrenze von Leistungen.

Darüber hinaus können Betroffene zusätzliche Leistungen erhalten so können beispielsweise Kosten für Therapie und/oder Beratung übernommen werden. Unter bestimmten Umständen können Fälle sexualisierter Gewalt auch als Arbeitsunfall anerkannt und daraus Leistungsansprüche abgeleitet werden. Das Bistum Osnabrück hat alle ihm bekannten Personen angeschrieben, die als Betroffene eines sexuellen Übergriffs die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen durch die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft erfüllen, um sie über die Möglichkeit zur Meldung ihres Falls als Arbeitsunfall zu informieren. Weitere Betroffene können sich jederzeit an die unabhängigen Ansprechpersonen wenden. Detaillierte Informationen zu diesem Verfahren gibt es hier.