Was war da los in Frankfurt?

Pfeile auf der Straße
Bild: AdobeStock.com, olyphotostories

„Was war da los in Frankfurt?“, fragt mich eine Theologiestudentin im Chat am Donnerstagabend. „Ich musste zwischendurch den Live-Stream abschalten, weil ich es nicht mehr ausgehalten habe“, schreibt eine Ordensfrau und ergänzt: „Danke dass ihr für mich und so viele einsteht!“. Das ist die Stimmung am Donnerstagabend in der vierten Synodalversammlung in Frankfurt.

Der Grundtext des Beratungsforums zu Sexualität und Partnerschaft, der einen neuen Blick auf Sexualität fordert, Verantwortung und nicht Gebote in den Mittelpunkt stellt, auf die Liebe setzt und die Anerkennung persönlicher Entwicklungsprozesse, wird zwar von der Mehrheit der Synodalen angenommen, sogar von der Mehrheit der Bischöfe akzeptiert, aber er erreicht nicht die in der Satzung vorgesehene, notwendige Zweidrittelmehrheit der Bischöfe. Heißt in Kurzform: Der Text kippt. Darauf war niemand gefasst, die Enttäuschung ist riesengroß. „Abstimmungseklat!“ – also alles umsonst? Komplett verhärtete Fronten? Thema durchgefallen? Nicht nur bei mir fließen Tränen. Ich weiß um die Hoffnung so vieler Menschen, die wir im Gepäck haben, ich weiß nicht, wie es jetzt weitergehen soll. Aber eines weiß ich: Ich bin nicht bereit meine Hoffnung auf eine lebensnahe Kirche dranzugeben.

Die Nacht wird kurz und dunkel. Die Gespräche mit den Forumsmitgliedern halten mich aufrecht. Unsere queeren Mitglieder haben den Saal verlassen, stützen sich gegenseitig und treffen eine großherzige Entscheidung: Sie werfen nicht das Handtuch, sie sind am Freitagmorgen wieder da. Und auch alle anderen. Freundlich aber hartnäckig stehen wir weiter für unsere Themen ein. Allerdings sind die erst einmal nicht dran, jetzt geht es um die Frauen. Und etwas Unerwartetes passiert. Alle haben verstanden, dass in Lagerkämpfen alle nur verlieren. Jetzt gibt es längere Redezeiten und vor allem mehr Redebereitschaft. Außerdem verständigen sich die Bischöfe ernsthaft. Das Ergebnis: Der Frauentext wird breit angenommen. Standing Ovation. Der Knoten ist geplatzt, es geht auch gemeinsam. Unsere Niederlage hat dem Synodalen Weg zum Durchbruch verholfen. Es musste erlitten werden.

Über die Autorin

Martina Kreidler-Kos ist Leiterin des Osnabrücker Seelsorgeamts. Ihr liegen die großen Fragen der Kirche am Herzen – aber auch die kleinen, alltäglichen und nur scheinbar nebensächlichen Dinge.

Das ist nicht nur bitter, sondern auch fruchtbar: Nun gibt es plötzlich auch Luft für unsere Themen. Der Handlungstext zur Neubewertung von Homosexualität und zur Änderung des Arbeitsrechtes – dass Mitarbeitenden der Kirche keine Nachteile mehr aus ihrem Familienstand entstehen – werden breit und mit viel mehr als nur den erforderlichen Stimmen angenommen. Ich staune, die theologischen Grundlagen haben die ausreichende Mehrheit knapp verfehlt, die Konsequenzen, die daraus gezogen werden, werden breit begrüßt. Zu erklären ist das vermutlich so: In unserem Grundtext steht nur wenig, mit dem die Bischöfe nicht in ausreichender Mehrheit mitgehen können. Darüber müssen wir reden, die Debatte ist noch nicht zu Ende. Meine Bilanz von „Frankfurt 4“ am Samstag: Hier sind wir einen kleinen Schritt für die Menschheit gegangen, aber einen großen Schritt für die Kirche!

Hier noch mal zum Nachlesen für die Zukunft:

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden