Wenn Frösche reden könnten …

Frosch im Efeu
Bild: Andrea Schwarz

Als ich vor einigen Tagen das Unkraut zwischen Hauswand und Hecke herauszog, fiel mein Blick auch kurz in den Lichtschacht unseres Kellers … und da unten saß er, etwa vier Zentimeter groß, grün mit schwarzen Flecken und großen Augen: ein Frosch.

Erster Gedanke: Den muss man da rausholen! Aber das Gitter über dem Schacht ist einbruchssicher verschraubt – und im Keller steht ausgerechnet vor dem dazugehörigen kleinen Fenster das vollste Regal. Im Moment war ich erstmal ratlos – hatte aber auch keine Zeit, das Regal frei zu räumen, weil ich dringend weg musste – und vertagte den Frosch auf den nächsten Tag.

Am Morgen beriet ich mich kurz mit Sr. Ulrike, die bei ihren Emsland-Terminen hier immer wieder mal übernachtet – und wir entschieden uns, gemeinsam am Abend die „Rettungsaktion Frosch“ anzugehen.

Gesagt, getan. Wir räumten das große Regal halbwegs leer, entschieden so ganz nebenbei, die Fondueteller, die wir in neun Jahren nicht einmal benutzt haben, ans Soziale Kaufhaus zu geben – und rückten das Regal zur Seite. Und guckten uns an. „Du oder ich?“ – okay, ich. Ich holte die Leiter, hatte eine Plastikdose griffbereit, öffnete das Fenster – und griff nach dem Frosch. Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, wer grad mehr Herzklopfen hatte, der Frosch oder ich.

Aber es gelang, ich bugsierte den Frosch in die Dose hinein – und während Ulrike die Gelegenheit nutzte, den Spinnweben zum Leib zu rücken und das Regal wieder einräumte, wanderte ich mit dem Frosch zur Ems und öffnete dort die Dose. Er verharrte einige Momente und verschwand  dann langsam im dichten Grün. Soweit so gut.

Am nächsten Tag schaute ich nochmal in den Kellerschacht … und was sehe ich da? Einen Frosch. Keine Ahnung, ob es der gleiche vom Vortag war oder ein anderer – aber es ist klar, was zu tun ist. Diesmal traute ich mich auch alleine – und wanderte wieder mit einem Frosch in der Plastikdose zur Ems.

Nur um am nächsten Tag festzustellen, dass erneut ein/der Frosch in dem Lichtschacht saß …

Jetzt wurde ich nachdenklich. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass dreimal hintereinander ein Frosch zufällig an unserem Kellerschacht vorbeikommt und da unabsichtlich hineinfällt – zumal das neun Jahre lang nie passiert ist.

Über die Autorin

Andrea Schwarz ist Schriftstellerin, war lange Jahre pastorale Mitarbeiterin im Bistum Osnabrück und lebt im Emsland. Sie ist eine genaue und sensible Beobachterin ihrer Umwelt und der Menschen, denen sie begegnet. In ihren Texten versucht sie, Gott mitten im Alltag zu entdecken und Lust aufs Leben zu machen – nun erstmals auch in Form von Blogbeiträgen!

Könnte es sein, dass er da bewusst wohnen will? Und dass er zweimal ca. 150 m Straße zurückgelegt hat, um wieder da zu sein, wo er sein will? Zugegeben, ich persönlich finde die Emswiesen erheblich schöner und angenehmer als einen Kellerschacht – aber ich bin ja auch kein Frosch. Tu ich ihm dann einen Gefallen, wenn ich ihn zwangsweise umsiedele – oder quäl ich ihn gerade dadurch?

In meiner Ratlosigkeit wandte ich mich an einen Bekannten, Biologe und Theologe. Er kennt sich zwar eher bei Vögeln aus – aber vielleicht kennt er ja jemanden, der sich in einen Frosch hineindenken kann?

Er wusste jemanden – und so landete unser kleiner Emsland-Frosch bei dem Direktor eines Großstadt-Zoos und auch bei dem ehemaligen Verwalter eines anderen Zoos. Und die nette Antwort lautete:

Der Frosch fühlt sich wahrscheinlich bei Ihnen wohl und sucht immer wieder ein bevorzugtes Milieu aus, sagen die beiden. Sie meinen, dass er da auch selbst wieder raus kommt und dann einfach in Ruhe gelassen werden kann. Aber das können Sie am besten entscheiden, ob er aus dem Schacht wieder raus kommt. An sich sei es prima, dass es offensichtlich ein Milieu sei, das Frösche anlockt.

Okay. Der Frosch fühlt sich anscheinend bei uns wohl – und wir haben ein froschanlockendes Milieu.

Ich höre es mal als Kompliment.

Und nachdem ich den Lichtschacht nochmal genauer inspiziert habe, denke ich, das er wirklich da ganz gut herauskommt, wenn er das will: zwei Wände bestehen aus rauem Backstein – und ein dicker Efeu wächst vom Boden aus dem Schacht heraus.

Und das könnte sich gut mit der Beobachtung decken, dass ich den Frosch zwar manchmal sehe, aber relativ oft eben auch nicht … Und so viele Verstecke gibt es in dem Kellerschacht ja nun auch nicht …

Also: Er/sie kann jetzt erstmal da wohnen bleiben, wenn er das so möchte.

Aber ich kam doch etwas ins Nachdenken.

Könnte es sein, dass ich ab und an ziemlich falsch liege mit dem, wovon ich glaube, was für den anderen gut ist? Versuche ich gelegentlich auch, jemanden zu retten, der gar nicht gerettet werden will?

Es macht schon Sinn, wenn Jesus den blinden Bettler fragt: „Was willst du, was ich dir tun soll?“ (Die Bibel, Lukas-Evangelium, Kapitel 18, Vers 41) – manchmal ist es gar nicht so eindeutig, wie es auf den ersten Blick zu sein scheint.

Und aus der anderen Perspektive heraus gefragt: Würde ich mich eigentlich genauso hartnäckig für das einsetzen, was ich will, wie dieser kleine Frosch?

Er heißt jetzt Bruno – ich hoffe aber inständig, dass es eine Bruni ist, denn bei den Fröschen quaken die Männer …

 

12 Kommentare zu “Wenn Frösche reden könnten …

  1. Die se Geschichte (Beschreibung) hat mich sehr berührt und nachdenklich gemacht vielen Dank dafür 🙏👍🍀Nun wünsche ich Ihnen weiterhin so schöne Erlebnisse und grüße Sie ♥️Lich von Marlene Heubach 🙏👍🍀🍀🍀🍀🍀🍀

  2. Tolle Geschichte , mit der Erkenntnis das die eigene Sichtweise der Dinge nicht immer die richtige ist und man doch auch einmal fragen sollte was willst du, was kann ich dir tun, wie kann ich dir helfen.

    1. Herzlichen Dank! Es tut gut, sich gelegentlich daran erinnern zu lassen – und sei es von einem kleinen Frosch!
      Liebe Grüße,
      Andrea Schwarz

  3. Liebe Andrea,
    eine wunderschöne und nachdenklich machende Geschichte gerade im Beratungskontext der Inklusion und in der Zusammenarbeit mit Kindern und Eltern. Vielen Dank.

  4. Sehr schön… Die Geschichte hab ich gelesen und in der letzten Zeit auch schon öfter weitererzählt, weil es den Kern trifft… Ich kann nicht immer wissen, was für den anderen gut ist. Danke.

    Grüße aus Rottenburg am Neckar

    1. Danke für die Rückmeldung und das „Weitererzählen“! Unser Frosch fragt schon nach Gage…
      Liebe Grüße nach Rottenburg zurück,
      Andrea Schwarz

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