Wer nichts zu verlieren hat, kann viel gewinnen …

Pusteblume
Bild: unsplash.com, Oliver Hihn

Er [Der Prophet Elija] machte sich auf und ging nach Sarepta. Als er an das Stadttor kam, traf er dort eine Witwe, die Holz auflas. Er bat sie: Bring mir in einem Gefäß ein wenig Wasser zum Trinken! Als sie wegging, um es zu holen, rief er ihr nach: Bring mir auch einen Bissen Brot mit! Doch sie sagte: So wahr der Herr, dein Gott, lebt: Ich habe nichts mehr vorrätig als eine Handvoll Mehl im Topf und ein wenig Öl im Krug. Ich lese hier ein paar Stücke Holz auf und gehe dann heim, um für mich und meinen Sohn etwas zuzubereiten. Das wollen wir noch essen und dann sterben. Elija entgegnete ihr: Fürchte dich nicht! Geh heim und tu, was du gesagt hast! Nur mache zuerst für mich ein kleines Gebäck und bring es zu mir heraus! Danach kannst du für dich und deinen Sohn etwas zubereiten; denn so spricht der Herr, der Gott Israels: Der Mehltopf wird nicht leer werden und der Ölkrug nicht versiegen bis zu dem Tag, an dem der Herr wieder Regen auf den Erdboden sendet. Sie ging und tat, was Elija gesagt hatte. So hatte sie mit ihm und ihrem Haus viele Tage zu essen. Der Mehltopf wurde nicht leer und der Ölkrug versiegte nicht, wie der Herr durch Elija versprochen hatte.

1. Buch der Könige 17,10-16

 

Ist das nicht dreist? Erst verlangt Elija nach Wasser, das ihm die Witwe anstandslos bringen will. Dann verlangt er auch noch nach Brot. Nur weil die Witwe nicht mehr genug hat, um von ihrem Bisschen auch noch etwas abzugeben, ergreift sie das Wort, um ihre Situation zu erklären. Noch dreister ist eigentlich nur, was im Satz vor diesem Abschnitt steht, nämlich dass Gott* der Witwe befohlen hat, Elija zu versorgen.

Ganz schön unhöflich geht es hier zu, finde ich: Gott* befiehlt, Elija verlangt, kein „Bitte“. Würde das heute so funktionieren? Ich kann es mir nicht vorstellen. Also ich würde mir selbst von Gott* nichts befehlen lassen. Mindestens eine Erklärung würde ich ihm abringen. Und Elija würde ich sagen, wo er Glas und Wasser findet, um es sich selbst zu holen. Und so wenig zu haben, dass ich vor dem Hungertod stehe, kann ich mir überhaupt nicht vorstellen.

Dass die Witwe sich auf Elijas Bitte also einlässt, ist für mich wundersam oder auch märchenhaft. Was steckt dahinter? Nun ja, was kann der Witwe passieren? Zu verlieren hat sie nichts mehr. Und wer nichts zu verlieren hat, kann viel gewinnen.

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Eigentlich nichts mehr zu verlieren zu haben, diese Erfahrung kann jede*r von uns machen, ohne dafür vor dem Hungertod zu stehen. Daraus können tolle Dinge erwachsen, z.B. endlich etwas anzusprechen, was schon so lange schwer auf dem Herzen liegt; die eigenen Probleme in einer Therapie oder einem Beratungssetting anzugehen; den Beruf oder Ort zu wechseln. Und manchmal fühlt es sich im Nachhinein wundersam an, dass quasi aus nichts so viel entstehen konnte. Gott* sei Dank, dass wir solche Erfahrungen machen dürfen und dabei hin und wieder auch so einen Propheten an der Seite haben, der den letzten Anschubs gibt.

Inga Schmitt