Wer teilt, hat mehr

Hände die gemeinsam ein Brot festhalten.
Bild: canva.com

In jener Zeit ging Jesus an das andere Ufer des Sees von Galiläa, der auch See von Tiberias heißt. Eine große Menschenmenge folgte ihm, weil sie die Zeichen sahen, die er an den Kranken tat. Jesus stieg auf den Berg und setzte sich dort mit seinen Jüngern nieder. Das Pascha, das Fest der Juden, war nahe.
Als Jesus aufblickte und sah, dass so viele Menschen zu ihm kamen, fragte er Philippus: Wo sollen wir Brot kaufen, damit diese Leute zu essen haben? Das sagte er aber nur, um ihn auf die Probe zu stellen; denn er selbst wusste, was er tun wollte. Philippus antwortete ihm: Brot für zweihundert Denáre reicht nicht aus, wenn jeder von ihnen auch nur ein kleines Stück bekommen soll. Einer seiner Jünger, Andreas, der Bruder des Simon Petrus, sagte zu ihm: Hier ist ein kleiner Junge, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische; doch was ist das für so viele? Jesus sagte: Lasst die Leute sich setzen! Es gab dort nämlich viel Gras. Da setzten sie sich; es waren etwa fünftausend Männer. Dann nahm Jesus die Brote, sprach das Dankgebet und teilte an die Leute aus, so viel sie wollten; ebenso machte er es mit den Fischen.
Als die Menge satt geworden war, sagte er zu seinen Jüngern: Sammelt die übrig gebliebenen Brocken, damit nichts verdirbt! Sie sammelten und füllten zwölf Körbe mit den Brocken, die von den fünf Gerstenbroten nach dem Essen übrig waren.
Als die Menschen das Zeichen sahen, das er getan hatte, sagten sie: Das ist wirklich der Prophet, der in die Welt kommen soll. Da erkannte Jesus, dass sie kommen würden, um ihn in ihre Gewalt zu bringen und zum König zu machen. Daher zog er sich wieder auf den Berg zurück, er allein.

Johannes 6,1-15

Der Dokumentarfilm „We Feed the World“ des Österreichers Erwin Wagenhofer beleuchtet kritisch die Massenproduktion von Nahrungsmittel und ihre globalen Auswirkungen. Massentierhaltung, großflächige Monokulturen, Bodenerosionen, Spekulationen mit Grundnahrungsmitteln wie Getreide an den Börsen, Lebensmittelüberproduktion und -verschwendung sind nur einige Stichworte dieser globalen Wirtschaftsweise.

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Das heutige Evangelium hat auf den ersten Blick mit dem Thema des genannten Dokumentarfilms wenig zu tun. Geläufig wird es das Evangelium vom Wunder der Brotvermehrung genannt. Es soll die Jesu gegebene göttliche Vollmacht unterstreichen. Mir ist ein anderer Aspekt wichtig. Für mich ist es das Evangelium der wundersamen Brotteilung. Menschen beginnen – mit dem Blick auf Jesus – miteinander das, was sie bei sich haben, zu teilen. Sie legen sozusagen alles, was da ist, auf einen großen Buffettisch und jede Person erhält das, was sie braucht. Es werden alle satt und es bleibt sogar noch was übrig. Gerecht teilen, verantwortungsbewusst mit Lebensmitteln umzugehen, aufmerksam sein dafür, was die/der andere zum Leben braucht, dazu fordert uns der Geist Jesu immer wieder neu auf.

Dankbar sein dafür, dass ich zu essen habe, nicht nur Brot und Fisch. Den Wert von Lebensmitteln schätzen lernen und kritisch die „All-you-can-eat“-Mentalität zu hinterfragen. Übrig gebliebene Lebensmittel einzusammeln, sie ihrem eigentlichen Zweck, Menschen satt zu machen, zuzuführen und sie nicht im großen Stil wegzuschmeißen. Auch daran denke ich, wenn ich das heutige Evangelium in unsere Welt übertrage.

Das Wunder der Brotteilung trägt die Handschrift Jesu. Er prägt es uns ein, indem er für uns Christen*innen die Feier des Brotteilens als sein Vermächtnis aufgegeben hat. Ein Kirchenlied bringt es für mich auf den Punkt: „Wenn wir das Leben teilen wie das täglich Brot, wenn alle, die uns sehen, wissen: Hier lebt Gott“ (Gotteslob 474).

Hermann Steinkamp