Mutig für Gott

Schwester Josefine, Novizin der Benediktinerinnen in Osnabrück, vor dem Altar in der Klosterkapelle
Schwester Josefine vor dem Altar in der Klosterkapelle Bild: Bistum Osnabrück

Vor gut einem Jahr trennte sich die Münsteraner Krankenschwester Anne-Kathrin von ihrem weltlichen Leben: Sie zog nach Osnabrück ins Benediktinerinnenkloster an der Hase. Am 10. Februar 2018 wurde die heute 30-Jährige offiziell als Schwester Josefine im Orden aufgenommen und ist dort seither die jüngste Novizin. Was bewegt eine junge Frau dazu, in ein Kloster einzutreten? Im Interview erzählt sie ihre Berufungsgeschichte und von ihrem Leben bei den Benediktinerinnen.

Schwester Josefine, was hat Sie dazu bewogen, den Schritt ins Kloster zu gehen?

Der Gedanke, sich ganz hinzugeben, mit allem was man hat und dafür auch bewusst auf Dinge zu verzichten, hat mich am Anfang einfach unglaublich fasziniert. Es ist aber nicht so, dass es „DAS“ Ereignis gab, das mich zu diesem Schritt bewogen hätte. Vielmehr war das ein recht langer Weg. Als ich das erste Mal über ein Leben im Kloster nachgedacht habe, war ich knapp 18. Mit 29 bin ich dann eingetreten.

Wie sind Sie zu den Benediktinerinnen gekommen?

Benediktinerinnenkloster Osnabrück
Beim Tag der offenen Klöster im April 2018 öffneten die Benediktinerinnen an der Hase ihre Klosterpforte für Besucher. Bild: Bistum Osnabrück

Es war nicht so, dass ich von vorneherein unbedingt zu den Benediktinerinnen wollte. Ich hatte das Glück, dass ich über meine Gemeindearbeit und über die Informationsarbeit, die vom Bistum Münster zu den Berufen der Kirche gemacht wurde, immer wieder Kontakt zu Ordensleuten gefunden habe. Dadurch habe ich viele verschiedene Gemeinschaften kennengelernt und habe mich sehr frei ausprobiert. Am Anfang war ich fest davon überzeugt, dass ich irgendwo in einem apostolisch tätigen Orden als Krankenschwester arbeiten müsste. Ich hatte mir zwar auch kontemplative Gemeinschaften angesehen, aber da immer gedacht: „Ach nee, das ist es irgendwie nicht!“ Krankenschwester bin ich dann tatsächlich geworden und habe auch mehrere Jahre in meinem Beruf am Uniklinikum Münster gearbeitet. Augenscheinlich hatte ich alles: Ich hatte eine tolle Wohnung, ich hatte im Krankenhaus einen unbefristeten Festvertrag. Aber trotzdem hat mir immer noch so der letzte Pfiff gefehlt. Bei einem Besuch hier im Kloster in Osnabrück hat es dann plötzlich Klick gemacht.

Warum haben Sie das Kloster hier damals besucht?

Ich war damals für das Osterwochenende 2016 hier und wollte eigentlich einfach nur privat Ostern feiern. In den Jahren zuvor war ich immer sehr viel in der Gemeinde aktiv und eingebunden. Jetzt wollte ich zur Abwechslung auch einfach mal nur Teilnehmer sein, ohne in irgendeiner Form mitzuwirken. An Ostern ist dann für mich der Schalter umgelegt worden und ich wusste sofort: Hier will ich leben und nirgendwo anders.

Was bedeutet Berufung für Sie?

Berufung bedeutet für mich, dass Gott für jeden von uns einen Platz vorgesehen hat. Berufung bedeutet, dass man dem, was Gott mit uns vorhat, folgt und sich bereitwillig auf diesen Platz stellt. Und mein Platz ist hier.

Wie haben Sie gemerkt, dass Sie berufen sind?

Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass da in meinem Leben noch irgendwas fehlt, verbunden mit einer ganz starken Sehnsucht. Diese Sehnsucht ist auf meinem Weg ein sehr wichtiger Aspekt. Sehnsucht schweigt nicht, sie macht einen auch irgendwann unruhig. Auch wenn ich ganz viel ausprobiert habe, die Sehnsucht hat mich nie ganz losgelassen.

Natürlich gab es zwischendurch auch Momente in denen ich dachte, das Thema Kloster sei für mich ein für alle Mal durch. Aber dieses Gefühl ist doch immer wieder zurückgekehrt. Es ist sehr, sehr stetig und es ist ein sehr, sehr intensives Gefühl, das einen immer wieder antreibt und immer wieder mit Zufällen gepaart ist. – Oder auch Nicht-Zufällen, je nachdem wie man das so sieht. In der Jugendkirche in Münster, wo ich häufig zu Gast war, wurden zum Beispiel mal kleine Visitenkarten mit Bibelsprüchen verteilt. Es gab ganz viele verschiedene Bibelsprüche, absolut querbeet. Und ich bekam aus dem Matthäusevangelium: „Folge mir nach“. Natürlich könnte man das einfach als Zufall abtun. Aber wenn man dazu gleichzeitig auch noch voll von dieser Sehnsucht ist und dann so einen Satz, ja, regelrecht entgegengeschmissen bekommt, hat das natürlich eine ganz andere Wirkung.

Insgesamt kann man das Gefühl ein bisschen mit Verliebtsein vergleichen. Relativ früh nachdem ich die Entscheidung getroffen hatte, sprach ich mit meinem Vater darüber und erzählte ihm von hier. Da sagte er: „Du hörst dich an wie eine frisch Verliebte“. Und das trifft es auch. Wenn man frisch verliebt ist, übersieht man ja auch gerne mal Dinge oder redet sich Sachen schöner als sie wirklich sind. Letztendlich ist man aber bereit, dafür einfach alles zu tun. Auch wenn es nicht immer einfach ist. Berufung ist niemals einfach.

Wie hat Ihr Umfeld auf Ihre Entscheidung reagiert?

Benediktinerinnen vom Heiligsten Sakrament Osnabrück, Paramentenwerkstatt
In der Paramentenwerkstatt der Benediktinerinnen werden liturgische Gewänder in Handarbeit gefertigt. Bild: Bistum Osnabrück

Mein Umfeld hat ganz unterschiedlich reagiert. Von „Oh Gott! Oh Gott!“ bis hin zu „Ja, das passt!“ war alles dabei. Etliche Menschen wussten bereits, dass ich mich mit dem Thema befasse, sodass sie nicht aus allen Wolken gefallen sind. Aber es gab natürlich auch Leute, die mir sagten, ich ginge in einen Knast und käme dort nie wieder raus. Ob ich mir das wirklich antun wolle. Allgemein hatten ausnahmslos alle einfach unglaublich viele Fragen. So viele, dass ich am Anfang eher ein Schweizer Käse war, weil ich so mit Fragen gelöchert wurde. In der Regel sind daraus gute und tiefe Gespräche entstanden und meine Entscheidung hat dazu geführt, dass sich die anderen Leute auch noch mal mit ihrem eigenen, nicht unbedingt kirchlichen Weg beschäftigt haben. Wenn jemand eine sehr radikale Entscheidung trifft, regt dann eben auch zum Nachdenken an: Was löst das in mir aus? Wie gestalte ich gerade eigentlich mein Leben?

Nun leben Sie seit über einem Jahr im Kloster an der Hase und sind seit dem 10. Februar auch offiziell eingekleidet. Was war für Sie rückblickend die größte Umstellung?

Die größte Umstellung war für mich der erst einmal der durchstrukturierte Tag, der immer gleich anfängt und auch immer gleich endet. Als Krankenschwester hatte ich Schichtdienst rund um die Uhr mit Nachtarbeit, Wochenenddiensten und Sonntagsdiensten. Ich konnte also zu jeder Tages- und Nachtzeit arbeiten oder meinen Hobbies nachgehen. Hier ist es eben anders. Tag ist hier Tag und Nacht ist hier Nacht. Und Sonntag ist wirklich Sonntag und Feiertag ist hier richtig Feiertag.

Wie sieht das dann genau aus?

An Sonntagen wird bei uns nur das absolut Allernötigste gemacht. Auch wir dürfen sonntags ein bisschen länger schlafen. Das sind zwar nur 30 Minuten, aber 30 Minuten können viel ausmachen. Außerdem gibt es bei uns dann zum Beispiel auch besseres Essen als an den anderen Tagen. Wir haben etwas mehr Zeit für uns und unsere Hobbies, nehmen uns aber auch noch mal extra Zeit für Gott.

Als Außenstehender stellt man sich das Leben im Kloster oft so vor, dass man die ganze Zeit nur betet. Sie haben hier also tatsächlich Zeit für Hobbies und dürfen denen auch nachgehen?

KerzenJa, ich habe zwar weniger Zeit als vorher, aber es gibt durchaus Raum, sich selbst zu verwirklichen. Wir leben nach der Regel des Benedikt aus dem 6. Jahrhundert. Diese besagt unter anderem, dass man die Fähigkeiten derjenigen, die neu dazu kommen, auch nutzen soll. Unsere Fähigkeiten sind sehr unterschiedlich, genauso wie unsere Hobbies. Einige Schwestern malen gerne, andere stricken gerne und andere sind am glücklichsten, wenn sie sich ein Buch vornehmen können. Andere gehen gerne in den Garten und arbeiten da richtig hart körperlich, und, und, und. Mein Steckenpferd ist zum Beispiel die Kerzenwerkstatt und zum anderen bin ich eine kleine Strickliesel.

Sie sagten, dass Sie die Hingabe und der bewusste Verzicht faszinieren. Welche Dinge aus Ihrem weltlichen Leben vermissen Sie denn trotzdem manchmal?

Konkret im Alltag vermisse ich eigentlich nichts. Ich bekomme hier alles, was ich brauche und manchmal auch ein bisschen mehr. Aber wenn man im Sommer im Garten steht und den Grill des Nachbarn riecht, und dann daran denken muss, dass man zuletzt vor über einem Jahr gegrillt hat, dann hat man schon Lust auf Holzkohle und Essen vom Grill …

Also Sie grillen nicht im Kloster? Auch nicht mal als etwas Besonderes an einem Sonn- oder Feiertag?

Nein, so weit sind wir noch nicht, aber ich versuche schon, daran zu arbeiten.

Sie erzählten ja bereits, dass Sie sich erst an die festen Strukturen gewöhnen mussten. Aber was war denn für Sie die größte Herausforderung auf Ihrem Weg?

Loszulassen … Dazu gab es vor meinem Eintritt eine Phase, in der ich ein wenig im luftleeren Raum hing. Ich habe zehn Jahre lang in einem eigenen Haushalt gelebt, den ich auflösen musste. Es gab Dinge, die konnte ich einfach nicht mitnehmen. Wirklich liebgewonnene Sachen abzugeben und zu spüren, dass Freundschaftsverhältnisse sich verändern, war schwer. Man ist sich plötzlich bewusst, dass nun alles irgendwie anders wird, aber man ist gleichzeitig in der neuen Umgebung noch nicht angekommen. Das Alte ist weg, aber das Neue ist noch nicht da. In dieser Situation muss man sich erst einmal wieder selber finden. Das war für mich schon eine große Herausforderung, mich da zu positionieren und diesen Drahtseilakt durchzustehen.

In so einer Situation könnte es vermutlich jeder verstehen, wenn jemand dann doch noch mal umdreht.

Ja, das kann ich mir schon vorstellen. Ich hatte aber das Glück, dass ich die ganze Zeit einen sehr intensiven Austausch mit dem Orden hatte und mein früheres Umfeld mich in meiner Entscheidung immer wieder positiv bestärkt und mich sehr unterstützt hat.

Was gefällt Ihnen am Ordensleben besonders gut?

Am besten gefällt mir, dass es feste Zeiten für Gott gibt. Unser Gebet steht an oberster Stelle und alles andere formiert sich dort herum. Früher kam mein Leben zuerst und meine Gottesbeziehung musste ich um mein Leben herumknüpfen. Jetzt ist es genau anders herum: Erst kommt die Gottesbeziehung, dann alles andere.

Weitere Infos

Außerdem bin ich froh, dass ich Menschen um mich habe, die gerade den gleichen Weg wie ich gehen oder gegangen sind. Ich habe ja noch eine junge Mit-Novizin, die ein halbes Jahr vor mir eingetreten ist. Es ist schon ein großer Gewinn, zu sehen, dass sie es geschafft hat. Das ermutigt mich zu glauben, dass ich das auch schaffen werde. Außerdem ist es toll, dass ich hier die Dinge, die mich spirituell bewegen, auch offen ansprechen und mit verschiedenen Schwestern darüber reden kann. In einer normalen Gemeinde habe ich das nicht so erlebt.

Welche Botschaft möchten Sie anderen Suchenden noch gerne mitgeben?

In meiner Vorbereitung auf meinen Eintritt habe ich einen Brief unserer Ordensgründerin Mutter Mechthilde an eine Novizin gelesen. Darin schrieb sie einen Satz, der mir sehr nahegegangen ist: „Seien Sie mutig für Gott!“ Und das kann ich nur jedem, der gerade auf seinem Weg ist, mitgeben: Man muss den Mut haben, den ersten Schritt zu tun. Den Rest wird Er schon machen.