Die jungen Alten

Mann und Frau in einem Ruderboot auf dem See
Bild: AdobeStock.com, Halfpoint

Älter, ja. Aber alt? Auf keinen Fall! Wer heute in Ruhestand geht, der hat noch viel Leben vor sich und meist auch noch viel vor mit diesem Leben: reisen, studieren, sich um die Enkel kümmern, endlich Zeit für ein (neues) Hobby haben oder für ehrenamtliches Engagement. Auch im Bistum Osnabrück gibt es viele dieser aktiven Seniorinnen und Senioren und die Seelsorge für Menschen im 3. Lebensalter fördert den Aufbau von Engagement-Strukturen. Einige Frauen und Männer engagieren sich rund um die Kirchengemeinde und stellen dabei bemerkenswerte Projekte auf die Beine. Zwei davon werden im Folgenden vorgestellt.

Über 60, in Ruhestand und ab auf die Couch? Das ist nichts für Swenna Vennegerts. Seit drei Jahren ist sie in Rente und seitdem betreut sie ehrenamtlich den Mittagstisch in Lingen-Biene, den sie selbst ins Leben gerufen hat. Vier Mal in der Woche können dort Menschen für 3,50 Euro zusammen essen. Gemüseeintopf, Zigeunerschnitzel, Hühnerfrikassee – einfache Gerichte, aber sehr lecker, da sind sich alle Gäste einig. 20 bis 30 sind es jeden Tag, hauptsächlich alleinstehende Seniorinnen und Senioren. Die meisten kommen öfter her – wenn nicht jeden Tag, dann zumindest an einem festen Tag in der Woche oder im Monat. Weil das Essen schmeckt, aber vor allem auch wegen der Gesellschaft!

Swenna Vennegerts
Swenna Vennegerts Bild: Bistum Osnabrück

Entstanden ist die Idee zum Mittagstisch, als sich in Swenna Vennegerts Umfeld mehrere Alleinstehende beklagten. „Salat? Kann ich nicht kaufen, an einem Kopf esse ich ja eine ganze Woche!“ hieß es da. Für sich alleine zu kochen mache einfach keinen Spaß, alleine essen noch weniger. Warum also nicht die Leute zusammen bringen, dachte sich Vennegerts. „Irgendwas wollte ich im Ruhestand ja sowieso machen, eigentlich einen Wanderverein gründen, aber dann kam es eben so“, sagt die heute 66-Jährige. Herumzusitzen, das liegt ihr einfach nicht. Schon immer war sie ehrenamtlich aktiv, auch als ihre Kinder klein waren und sie noch voll berufstätig. „Seit ich in Rente bin, habe ich mehr Zeit – oder weniger, wie man es nimmt …“, sagt sie schmunzelnd. Das Haus, der Garten, Sport, Familie, Freunde – und trotzdem schafft sie es, einen großen Teil ihrer Zeit in die Organisation des Mittagstischs zu stecken.

Weitere Infos

Anmeldung zum Mittagstisch, die Speisekarte und weitere Infos gibt es auf: http://www.wabe-holthausen-biene.de

Inzwischen sind es fast 40 Ehrenamtliche, die sie koordiniert: Essenspläne müssen verteilt und Anmeldungen verwaltet werden, außerdem spricht sie mit dem Koch das Menü ab, vernetzt sich mit der Kirchengemeinde und der politischen Gemeinde; der Einsatzplan für die täglichen Helfer muss aufgestellt und manchmal ein Fahrdienst organisiert werden. Inzwischen wird zusätzlich zum Essen auch ein Mal im Monat ein Mittagsgespräch mit Gastrednern angeboten. „Das alles ist nur dank der Beteiligung vieler Ehrenamtlicher zu schaffen“, sagt Swenna Vennegerts, „Aber es lohnt sich!“ Sie hat den Mittagstisch von Anfang an nicht als Versorgungsangebot geplant, sondern als Treffpunkt: „Gemeinsam, nicht einsam“ lautet das Motto.

Bunt und engagiert

Gemeinsam arbeitet auch die „Kerngruppe 60+“ der Pfarreiengemeinschaft Freren – und wie! Bei den regelmäßigen Organisationstreffen merkt man schnell: Hier sitzen Menschen, die Spaß am Engagement haben – und die sich wunderbar ergänzen. Seit 2016 planen die Teilnehmer Veranstaltungen für junge Senioren zwischen 60 und 75 Jahren. „So bunt wie wir sind, so ist auch unser Programm“, sagen sie. Ein Mal in der Woche trifft sich eine Gruppe zum Wandern oder Radfahren, kürzlich wurde ein plattdeutscher Gottesdienst organisiert, es gibt Ausflüge, Großeltern-Enkel-Singen, ein Mal im Monat einen Mittagstisch mit rund 50 Gästen, Gedächtnistraining, Bildungsfrühstück, Seniorenkino und noch einiges mehr.

Die Kerngruppe 60+ der Pfarreiengemeinschaft Freren
Die Kerngruppe 60+ der Pfarreiengemeinschaft Freren Bild: Bistum Osnabrück

„Zu Beginn unserer Tätigkeit haben wir in Kooperation mit anderen Institutionen eine Befragung unter 1300 Seniorinnen und Senioren durchgeführt“, berichtet Anneliese Heymann. Sie ist in der Pfarreiengemeinschaft Freren als Katechetin mit Schwerpunkt Seniorenpastoral tätig. Dabei kam heraus, dass viele Senioren den Ruhestand als Eintritt in ein neues Lebensalter nach beruflichen und familiären Verpflichtungen sehen. Eine Phase, die sie aktiv und engagiert gestalten möchten – und das sehr gerne in Gesellschaft!

Weitere Infos

Termine aus dem aktuellen Jahresprogramm und Infos zum Mittagstisch der Kerngruppe 60+ gibt es auf https://www.pfarreiengemeinschaftfreren.de

Bei der Kerngruppe 60+ klappt das vorbildlich: Jeder hat einen anderen Schwerpunkt und es gibt sehr viel Wertschätzung füreinander. Einer besorgt und grillt die Würstchen, einer gestaltet das Programm am Computer, einer schreibt jedes Mal Protokoll, andere verwalten die Kasse und holen Kostenvoranschläge für die nächste Bustour ein und wieder andere kümmern sich um die wöchentlichen Wanderungen bzw. Fahrradtouren oder kennen jemanden, der jemanden kennt, der auch noch helfen könnte. „Für mich ist das ein tolles Beispiel für eine Kirche der Beteiligung“, sagt Anneliese Heymann: „Wer etwas gut kann, der muss das tun und wer etwas nicht kann, der darf das auch sagen. Das Spannende ist, die Talente heraus zu kitzeln. Das sind ja schließlich alles kompetente Leute hier!“

Das finden die Engagierten selbst auch. Sie wollen noch lange nicht zum alten Eisen gehören. Ein Spruch, der ihnen besonders imponiert hat, stammt von Günther Oberthür, der vor Ort Referent für Altenpastoral ist: „Wir wollen mehr hinterlassen, als die Kuhle im Sofa!“ Für die Zukunft haben sie sich deswegen noch viel vorgenommen: Gemeinsam mit Samtgemeinde, Landkreis und anderen Organisationen wollen sie überlegen, was langfristig gut für Senioren in der Region ist. Dabei geht es zum Beispiel auch um Fragen der Mobilität und um verschiedene Wohnformen. Das Wichtigste bleibt aber, dass sie Menschen Gelegenheit zu Begegnung und Gespräch bieten wollen, zu Geselligkeit und Gemeinschaft in jedem Alter.

Kontakt

Christiane van Melis

Christiane van Melis
Diözesanreferentin für das 3. & 4. Lebensalter
Domhof 12
49074 Osnabrück
0541 318-217
E-Mail-Kontakt

Christiane van Melis, im Bistum Osnabrück zuständige Referentin für die Seelsorge für Menschen im 3. und 4. Lebensalter, unterstützt und vernetzt Projekte der gegenseitige Sorge. Sie sagt: „In einer alternden Gesellschaft reicht das System Familie als Begleitung im Alter meist nicht mehr aus. In Nachbarschaften und Wohnquartieren können aktive Wege gegenseitiger Hilfe gegangen werden, wie an den beiden Beispielen sehr schön deutlich wird.“ Kirche unterstütze an vielen Orten mit Räumen oder Ehrenamtsbegleitung und könne gerne als Netzwerkpartner angefragt werden.