Ein Hoch auf den Dreck

Beine Springen in Pfütze
Bild: unsplash.com, Josh Calabrese

In jener Zeit versammelten sich die Pharisäer und einige Schriftgelehrte, die aus Jerusalem gekommen waren, bei Jesus. Sie sahen, dass einige seiner Jünger ihr Brot mit unreinen, das heißt mit ungewaschenen Händen aßen. Die Pharisäer essen nämlich wie alle Juden nur, wenn sie vorher mit einer Handvoll Wasser die Hände gewaschen haben; so halten sie an der Überlieferung der Alten fest. Auch wenn sie vom Markt kommen, essen sie nicht, ohne sich vorher zu waschen. Noch viele andere überlieferte Vorschriften halten sie ein, wie das Abspülen von Bechern, Krügen und Kesseln. Die Pharisäer und die Schriftgelehrten fragten ihn also: Warum halten sich deine Jünger nicht an die Überlieferung der Alten, sondern essen ihr Brot mit unreinen Händen? Er antwortete ihnen: Der Prophet Jesája hatte Recht mit dem, was er über euch Heuchler sagte, wie geschrieben steht: Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, sein Herz aber ist weit weg von mir. Vergeblich verehren sie mich; was sie lehren, sind Satzungen von Menschen. Ihr gebt Gottes Gebot preis und haltet euch an die Überlieferung der Menschen. Dann rief Jesus die Leute wieder zu sich und sagte: Hört mir alle zu und begreift, was ich sage! Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen, sondern was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein. Denn von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen die bösen Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Habgier, Bosheit, Hinterlist, Ausschweifung, Neid, Lästerung, Hochmut und Unvernunft. All dieses Böse kommt von innen und macht den Menschen unrein.

Markus 7, 1–8.14–15.21–23

 

„Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“ ätzte schon vor gut 50 Jahren Liedermacher Franz-Josef Degenhardt. Gerade beim Stichwort „Reinlichkeit“ wird auch heutzutage noch genauer hingesehen, wie es denn wohl beim anderen ausschaut … Noch vor einigen Jahrzehnten appellierte die Werbung für ein Waschmittel an die Hausfrauen, dass doch gerade ihre Wäsche nicht „nur sauber, sondern rein“ sein solle. Das war noch zu der Zeit als die zum Trocknen im Garten aufgehängte Wäsche von Nachbarinnen kritisch beäugt wurde. Auch die aktuellen Hygienevorschriften im Rahmen der Covid-19-Pandemie haben dem beobachtenden Blick auf den Mitmenschen wieder neuen Auftrieb gegeben – und lassen auch das Händewaschen neu in den Mittelpunkt rücken.

Das Thema ist aber nicht erst in unseren Tagen aktuell geworden. Der Verfasser des Markusevangeliums wendet sich dieser Frage ausführlich zu. Sie scheint in seiner Zeit und für seine Gemeinde wie auch für die junge Kirche nicht unbedeutend gewesen zu sein. Dabei geht es aber nicht darum, ob eine Vorschrift aus dem jüdischen Gesetz nun auch weiterhin für Christen gilt oder nicht. Spannender ist, dass aus der Diskussion über das Einhalten ritueller Reinheitsvorschriften die Frage wird, wer nun zu den Erwählten Gottes gehört und wer nicht. Die Pharisäer spitzen diese Fragestellung zu: Ihr oder wir? Für sie war die Antwort bereits klar.

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Diese Arroganz greift Jesus auf und er greift sie frontal an. Seine Predigt vom Reich Gottes benennt deutlich die als Lieblinge Gottes, deren Alltag aufgrund der Lebensumstände eben nicht minutiös fromm gestaltet werden kann. Ihnen gilt die Zusage, dass Gott jedem Menschen nahe ist. Und besonders denen, die nicht auf eine täglich abgearbeitete Checkliste der persönlichen Frömmigkeitsübungen verweisen können. Es geht aber auch darum, wie Menschen weiterleben können, wenn sie im und am Leben scheitern ober die Zerbrechlichkeit von Beziehungen schmerzhaft erfahren

Jesus fragt nach der inneren Haltung eines jeden Menschen. Will ich mich selbst vor Gott reinwaschen? Oder kann ich es glaubend annehmen, dass ich vor ihm eben nicht dauernd auf meine ausgiebig gereinigte weiße Weste verweisen muss? „Dem, der Gott nichts bieten kann, bietet Gott die Freundschaft an“ sang einmal ein (nicht mehr ganz so neues) geistliches Lied.

In diesem Leben macht man sich die Hände schmutzig, auch ungewollt. Sauber kommt da niemand raus. Rein gehaltene Hände sind wahrscheinlich auch immer leere Hände. Es kann mich von einem religiösen Waschzwang befreien, dass ich mich vom Abba Jesu vorleistungsfrei und bedingungslos geliebt weiß – trotz meiner Schuld und mancher verschmutzen Weste.

Denn mein Leben muss nicht keimfrei sein, es soll lebendig sein – mir und den anderen zur Freude.

Pastor Michael Lier