Gold auf Pergament
Im 14. Jahrhundert entstand in England eine Handschrift, die in vielerlei Hinsicht einzigartig ist: der Peterborough-Psalter. Er lässt sich lückenlos von seiner Entstehung bis heute nachverfolgen, hat ein für ihre Textart ungewöhnliches Bildprogramm und stammt aus einer der schönsten Kirchen der Insel: der Abtei von Peterborough, die später zur Kathedrale wurde.
Peterborough im Nordosten Englands, um 1300. Über der Stadt erhebt sich die Abteikirche, die 100 Jahre zuvor ihre neue Fassade im gotischen Stil erhalten hat. Hinter den Mauern: ein Benediktinerkloster, das bereits seit Mitte des 10. Jahrhunderts an dieser Stelle besteht, auf den Vorgängerbauten einer angelsächsischen Klosteranlage erbaut. Ab 1299 steht Geoffrey of Crowland als Abt an der Spitze des mittlerweile mächtigen und finanziell gut ausgestatteten Monasteriums. Er ist vermutlich auch der erste Empfänger eines Psalters, der seinesgleichen sucht.
Ein Psalter ist eine Sammlung der Psalmen, die durch weitere Texte ergänzt werden kann und privat, aber auch für den Gottesdienst gebraucht wird. Psalter waren im Mittelalter beliebt und viele kostbare Manuskripte haben sich erhalten. Der von Peterborough ist nicht nur besonders prachtvoll, sondern hat ein außergewöhnliches Bildprogramm. Es stellt je einer Szene aus dem Neuen Testament eine aus dem Alten gegenüber. Dahinter steckt der seit frühchristlicher Zeit verbreitete Gedanke, dass das Alte Testament bereits ankündigt, was im Neuen Testament mit Jesus vollendet wird. Diese Art der Bibeldeutung nennt man Typologi. Ein Typos und ein Antitypos bilden dabei jeweils ein Paar. Beispiel: Josef wird von seinen Brüdern verkauft (Typos) – Jesus wird von Judas verraten (Antitypos). In den spätmittelalterlichen Heilsspiegeln kommen diese Gegenüberstellungen häufig zum Einsatz, im Peterborough-Psalter ist die typologische Darstellung einzigartig.
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Verantwortlich dafür waren wohl zwei Künstler aus London oder Norwich. Der eine entwickelte das Gesamtkonzept, der andere war maßgeblich für der Umsetzung zuständig. Insgesamt ist das Buch auf 282 Seiten gefüllt mit 116 Miniaturen, 24 Kalendermedaillons, historisierten Initialen, Bordüren, Heraldik, Zeilenfüllern, durchgehend goldener und azurblauer Schrift und fünf verschiedene Goldarten.
Einmalig ist auch, dass sich das Buch zu keinem Zeitpunkt im Dunkel der Geschichte verliert, sondern ganz im Gegenteil durch viele Hände geht: Zunächst im Besitz Abt Geoffreys, übergibt der es 1318 an den päpstlichen Nuntius als Geschenk für Papst Johannes XXII. Der verschenkt es anlässlich eines Besuchs an die Königinwitwe Klementia von Ungarn. Nach deren Tod gelangte der Psalter an König Philipp VI. von Frankreich und später an dessen Enkel Karl V. Herzog Philipp der Gute lässt sein Wappen auf allen Miniaturseiten einmalen und Napoleon knapp 350 Jahre später das Manuskript neu binden. Heute befindet sich der Psalter in der königlichen Bibliothek von Belgien in Brüssel.