Wie geht beten?
Sie ist Referentin im Forum am Dom, begleitet einen Glaubenskurs für Ungetaufte und ist als geistliche Begleitung für unterschiedliche Menschen tätig. Also die ideale Ansprechpartnerin für unsere Frage: „Schwester Engratia, wie geht Beten?“
Darauf gibt es wohl keine einfache Antwort. Denn Schwester Engratia schweigt kurz und lächelt dann. Findet sie die Frage so absurd? „Nein, nein“, sagt sie. Aber sie könne eigentlich eine andere Frage besser beantworten: „Was ist Beten?“ Darauf würde sie sagen: „Beten ist Beziehung.“ Wenn man frage: „Wie geht Beten?“, bleibe man beim Oberflächlichen stehen. Ob jemand die Hände falte, sich hinknie oder sitze, ob er ein bekanntes Gebet spreche, frei formuliere oder den Rosenkranz bete. Bestimmte Körperhaltungen und das Murmeln vorgegebener Texte – das sei so das landläufige Bild, das manche Menschen sich von Betenden machen. Solch ein
Bild beschreibe aber nur die äußeren Umstände.
Ja, eine bestimmte Haltung könne helfen, sich zu sammeln, sich zu konzentrieren, dabeizubleiben. Und beim Beten in Gemeinschaft sind bekannte Texte eine Hilfe. Ob man nun aber in der Natur oder in der Kirche bete, sei zweitrangig. Wichtig sei die Beziehung zu Gott.
„Beten ist etwas Konkretes, keine diffuse Spiritualität“, sagt Schwester Engratia. „Ich kann ein konkretes Gegenüber, das ich Gott nenne, ansprechen. Ich kann Du sagen zu Gott.“ Und jeder könne mit Gott beim Beten in Beziehung treten, „ohne Vorleistung“, wie Schwester Engratia es nennt.
Viele Menschen, die von einem angstmachenden Bild des strafenden Gottes geprägt seien, müssten dies erst verstehen: Gott erwarte nicht, „dass wir zunächst eine Leistung erbringen“. Jeder könne sich an ihn wenden, ganz gleich, in welcher Situation er sich befinde. „Ich muss keinen tollen Job haben, kein erfülltes Familienleben oder eine Partnerschaft vorweisen.“ Es gehe nicht um ein perfektes Leben. Es gehe um ein Leben in Beziehung zu Gott. „Letztlich verstehe ich Beten erst dann, wenn ich einfach mein Leben mit diesem Gott wage.“
Allerdings falle es vielen Menschen schwer, sich Zeit für Beziehungen zu nehmen, auch im zwischenmenschlichen Bereich. „Wenn ich zu bin mit Arbeit, ist es schwierig, eine Beziehung zu führen, Zeit zu haben für den anderen und auch für mich selber“. Es sei wichtig, sich außerdem zu fragen: „Habe ich eine Beziehung zu mir selbst? Kann ich bei mir selber sein?“ Diese Fragen seien oft schwer zu beantworten. „Wenn ich fünf Minuten Zeit habe und halte es nicht aus, dass diese fünf Minuten nicht verplant sind; wenn ich an der Kasse warten muss – sehe ich das als erzwungene Pause oder als geschenkte Zeit?“
Beten jedenfalls hat für Schwester Engratia mit Beziehung zu tun. „Dieses Beziehungsgeschehen führt mich über mich hinaus, da bin ich bei Gott. Gott ist für mich keine Lehre, keine Theologie, kein theoretisches Konstrukt. Für mich ist Gott ein Du, das ich ansprechen kann“, sagt die 5-Jährige. Sie hat Theologie und Germanistik auf Lehramt studiert, einige Jahre im Seelsorgeamt des Bi-schöflichen Generalvikariats gearbeitet und war in der Ordensausbildung der Thuiner Franziskanerinnen tätig.
Seit 2010 ist sie Referentin im Forum am Dom. Sie begleitet unter anderem den Glaubenskurs für Ungetaufte. Es sind Menschen dabei, die nie mit Glaubensfragen in Berührung kamen, die nicht durch bestehende Gottesbilder vorbelastet sind. Sie sprechen darüber, was Glauben bedeutet. Es geht um den biblischen Gott, aber der Kurs ist kein theologisches Seminar, in dem Wissensvermittlung im Vordergrund steht.
Die Teilnehmer erfahren, dass Beten leben in Beziehung ist und welche Gebetsformen es gibt: geformtes Beten mit festen Texten, liturgisches Beten (Messe), frei formuliertes Beten, rhythmisches Beten (Rosenkranz), betrachtendes Beten (Meditation), schweigendes Beten.
Weitere Infos
- Tipps zum Beten erhalten Sie hier.
- Wissenswertes zum „Vaterunser“ finden Sie in unserem Lexikon des Glaubens.
- Hier gibt es eine Übersicht über spirituelle Orte im Bistum Osnabrück.
Und wie betet Schwester Engratia? Sie setzt sich hin, versucht, sich zu sammeln, und ruft sich in Erinnerung, „dass Gott da ist, wie die Luft zum Atmen und wirklich da ist wie jede andere Person. Dann rede ich von innen heraus und bringe mich mit dem, was mich bewegt, vor Gott“.