Kirche der Beteiligung – gemeinsam gestalten

Zahnräder
Bild: AdobeStock.com, alphaspirit

Seit rund zehn Jahren gibt es das Konzept „Kirche der Beteiligung“ im Bistum Osnabrück. Dabei geht es auf verschiedenen Ebenen darum, Verantwortung zu Teilen und Freiraum für ein modernes Glaubensleben zu schaffen. Maria Bruns leitet im Team mit ihrem Kollegen Sebastian Nerlich den Fachbereich Gemeindeentwicklung und Organisationsberatung im Bistum Osnabrück. Im Interview erzählt sie, was mit der Kirche der Beteiligung schon erreicht wurde und welche neuen Ideen es für die Zukunft gibt.

Was ist Kirche der Beteiligung?

Kirche der Beteiligung verspricht folgendes: Du bist in Kirche mit deinen Sichtweisen, Fähigkeiten und Talenten, deinem Glauben, deinen Interessen an anderen, an Ort und Gesellschaft, absolut gebraucht und richtig! Es geht dabei um eine Haltung!

Warum ist das so wichtig?

Maria Bruns

Die Haltung einer Kirche der Beteiligung stärkt das Bewusstsein des eigenen Christseins. Aus diesem Bewusstsein heraus motiviert es dazu, Verantwortung zu übernehmen für den eigenen Lebensraum und das nicht nur kirchlich, sondern auch gesellschaftlich oder politisch. Das heißt, eine Kirche der Beteiligung nimmt den Menschen ernst mit dem, was er ist und mitbringt und ermöglicht Freiräume, um Neues auszuprobieren, um den Bedürfnissen vor Ort gerecht zu werden. Menschen merken dadurch: Wir können etwas bewirken!

Das Ganze ist in unserer hierarchisch strukturierten und traditionellen Kirche eine Umgewöhnung, die aber absolut zukunftsweisend ist. Die Haltung einer Kirche der Beteiligung ist in den Anfängen vor rund zehn Jahren nicht aus der Not entstanden, sondern aus der Überzeugung, dass das Teilen von Verantwortung eine Kultur der Möglichkeiten fördert und neue Perspektiven aufs Glaubensleben eröffnet.

Das heißt, das Konzept hat auch viel mit dem Teilen von Macht zu tun?

Ja, absolut. Es geht darum jedem Gegenüber auf Augenhöhe zu begegnen und ihn mit seinen Meinungen absolut ernst zu nehmen und wert zu schätzen. Wenn ich das tue, geht es nicht anders, als dass wir gemeinsam Fragen stellen und Antworten finden und dann werden Entscheidungen anders getroffen – Machtverhältnisse ändern sich. Inzwischen ist die Idee einer Kirche, die viele Beteiligt, auch so etwas wie ein Sicherheitsnetz, das in die Zukunft trägt:  

Kontakt

Maria Bruns
Domhof 12
49074 Osnabrück
Telefon: 0160 91408735
E-Mail: m.bruns@bistum-os.de

Sekretariat:
Birgit Witte
Domhof 12
49074 Osnabrück
Telefon: 0541 318-221
E-Mail: b.witte@bistum-os.de

Kirche der Beteiligung lädt dazu ein, sich zu vernetzen, den Sozialraum in den Blick zu nehmen und aus dem Bewusstsein als Christin und Christ Glauben und Leben miteinander in Verbindung zu bringen. Vielleicht bringt es in gewisser Weise auch Parallelwelten zusammen, weil es sehr viel Weite bietet und immer schaut, was den Menschen vor Ort guttut, also nicht nur um den Kirchturm herumschwirrt, sondern auch rausgeht.

Wo kann man Kirche der Beteiligung im Bistum ganz praktisch sehen?

Dadurch, dass Kirche der Beteiligung eine Haltung ist, ist sie nicht immer leicht zu sehen. Viele denken, es ist ein Projekt unter vielen. Doch Kirche der Beteiligung zeigt sich nicht darin, WAS wir machen, sondern WIE wir es machen. Trotzdem gibt es praktische Beispiele:

Sichtbare Leitungsstrukturen sind z.B. Gemeindeteams. Die fallen vielen fallen als erstes ein. Diese Teams, die zusammen mit Kirchenvorstand, Pfarrgemeinderat und Pastoralteam Leitungsverantwortung in den Gemeinden teilen, gibt es inzwischen an acht Standorten im Bistum. Auch unsere anderen Leitungsmodelle im Team, wie Pastorale Koordination oder Pfarrbeauftragungen, können eine Kirche der Beteiligung verdeutlichen. 

Aber es ist nicht nur das, sondern auch z.B. die Beteiligung von Laien an Beratungs- und Entscheidungsprozessen, bei den Bistumsklausuren oder der Bischofswahl zum Beispiel. Die Entwicklungsprozesse in unseren Dekanaten sind bewusst partizipativ angelegt und tragen die Handschrift einer Kirche der Beteiligung.

Weitere Infos

Wir merken ganz deutlich, dass sich etwas in den vergangenen Jahren verändert hat. Die Menschen aus unseren Kirchorten fragen nach Beteiligung und hinterfragen Entscheidungen „von oben“. Das ist eine Frucht unserer Haltung! Das, was wir propagieren, soll auch gelebt werden. Ganz ehrlich darf und muss man auch sagen: Da ist noch Luft nach oben …

Inwiefern?

Diese Haltung ist eine absolute Umgewöhnung. Wir kommen von einem von oben versorgendem Kirchenbild. Dies gilt es aufzubrechen und den Menschen zuzumuten, selbst die Gestalt von Kirche in die Hand zu nehmen. Wenn man das Konzept ernst meint, müssten wir noch grundsätzlicher partizipativ denken und oftmals viel früher anfangen, zu beteiligen, zu jeglichen Fragestellungen. Es braucht Information zu richtigen Zeitpunkten und wir müssen uns zutrauen, Leerstellen auszuhalten und gemeinsam zu füllen, indem wir schon früh gemeinsam über Möglichkeiten nachdenken und diese dann auch ausprobieren. Da darf und muss auch mal etwas schiefgehen. Wir brauchen diese Lernerfahrungen! Gleichzeitig müssen wir aushalten, dass wir es nicht allen recht machen können – das können wir aber auch nicht, wenn wir so weitermachen wie bisher.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Alle, die sich berufen fühlen, aus ihrem Glauben heraus Kirche zu gestalten und die motiviert sind, auch aus den gewohnten Denkweisen in Kirche und bei sich selbst herauszutreten, sollten sich für eine Kirche der Beteiligung engagieren. Wir werden in Zukunft ein völlig anderes Verständnis von Ehren- und Hauptamt haben. Lasst uns jetzt gemeinsam anfangen, dieses Miteinander zu gestalten.

Wenn man mitmachen will – wie geht das?

Das Gute ist: Es braucht keine Vorerfahrungen. Da wo Energie ist, kann gestartet werden!

Bislang gab es immer drei Werkstätten, die man als Team besucht hat, um sich mit dem Thema auseinander zu setzen. Dieses Konzept haben wir jetzt modifiziert. Zukünftig gibt es für alle Interessierten ein Basismodul, das man besuchen kann, um sich mit den Leitplanken der Kirche der Beteiligung und dem eigenen Glauben auseinander zu setzen. 2024 findet dieses Modul vom 14. bis 15. Juni im LWH in Lingen statt.

Darüber hinaus bieten wir in unterschiedlichsten Formaten Vertiefungsmodule an, um sich fokussierter mit einem Thema zu beschäftigen, z.B. einen Werkstatttag „Raus aus dem Korsett“, der sich mit beteiligender Liturgie auseinandersetzt; eine Online-Fortbildungsreihe zur Leitplanke Sozialraum oder einen Infoabend zum Thema „Über Macht muss man sprechen“.

Wir kooperieren aber auch mit der KLVHS Oesede und bieten gemeinsam eine große Schulung zum Thema „Ehrenamtsmanagement“ an – und vernetzen uns mit der „Ausbildung zu DorfmoderatorInnen“.

Wir freuen uns, wenn sich Menschen nicht alleine anmelden, weil wir wissen, dass es mit mehreren leichter ist, etwas umzusetzen und dranzubleiben. Aber das ist keine Voraussetzung: Jede und jeder Einzelne ist ein Gewinn für eine Kirche der Beteiligung!