Klimawandel hautnah

Kirsten Söhnel - aktuelles Foto
Bild: privat

Klima- und Umweltschutz haben durch die Corona-Krise neuen Aufwind bekommen, denn die Ausbreitung des Virus macht globale Zusammenhänge mehr als deutlich. Kirsten Söhnel hat diese Zusammenänge schon vor einiger Zeit während ihres Freiwilligendienstes im Ausland kennen gelernt. Sie hat ein Jahr in Peru gelebt und dort die Auswirkungen des weltweiten Klimawandels gesehen.

Was war deine Einsatzstelle in Peru?

Gelebt habe ich gemeinsam mit meinen Kolleg*innen im Dorf Pulpera in der Region Chumbivilcas, die zur Region Cusco gehört. Dort habe ich im Projekt „Programas de Empleo y Juventud (PEJ)“ gearbeitet, das sich im Rahmen von Kinder- Jugend- und Gemeindearbeit engagiert. Ich habe bei der Kinder- und Jugendpastoral mitgeholfen, Fotos gemacht, gekocht, meine Kollegin bei der pädagogischen Mädchenarbeit unterstützt, mich beim Organisieren und Vorbereiten von Jugendbildungs- und Elternseminaren beteiligt, ab und an kleine Berichte vom Spanischen ins Deutsche übersetzt und noch vieles mehr, was ich hier gar nicht alles aufzählen kann. Vor allem habe ich aber dadurch, dass ich meinen Alltag mit den Menschen vor Ort geteilt habe, viel erleben und lernen dürfen.

Was ist dir in Bezug auf Klima und Umwelt in Peru am meisten in Erinnerung geblieben?

Vor allem die Sonne am Tag, die Kälte in der Nacht und die Schönheit der Landschaft. Und natürlich die Menschen, mit denen ich zusammengelebt habe, da sie in ihrem alltäglichen Leben durch Umwelt und Klima beeinflusst werden.
Außerdem erinnere ich mich an Momente, in denen ich mich nach Folgen des Klimawandels fragte. Wenn wir an einem Fluss vorbeigefahren sind, in dem kaum noch Wasser war und wie mich das betroffen und traurig machte. Ich erinnere mich auch an die Nachricht über einen schweren Erdrutsch in der Region, gar nicht weit von uns entfernt, der durch schwere Regenfälle ausgelöst worden war und bei dem Menschen verletzt und Häuser zerstört wurden, so dass sie für viele Menschen unbewohnbar wurden. Ich erinnere mich auch an Berggipfel, die weniger oder gar keinen Schnee mehr an ihren Spitzen haben und wie mir erzählt wurde, dass viele Menschen auf das Schmelzwasser als Wasserversorgung angewiesen sind; bei einer anhaltenden Erderwärmung könnten die Gletscher in wenigen Jahrzehnten fast vollständig verschwunden sein.
Auch wir hatten an unserem Einsatzort manchmal Schwierigkeiten mit der Wasserversorgung, was natürlich das alltägliche Leben aber auch den Gemüseanbau in den Gewächshäusern beeinflussen konnte. Das alles hat mich sehr bewegt und tut es bis heute.

Was ist das Besondere in Peru in Bezug auf den Umweltschutz?

Kirsten SöhnelIn Chumbivilcas ist mir während meiner Arbeit aufgefallen, dass dort bereits Kinder im Kontext von Schule in den Umweltschutz einbezogen werden. So gab es beispielsweise Baumpflanzprojekte, es wurden Dinge Re- und Upgecycelt, mit denen die Klassenräume gestaltet wurden, die Schulen wurden darin unterstützt Gewächshäuser anzulegen und diese mit Hilfe von Eltern und Schüler*innen zu bewirtschaften und Gemüse anzupflanzen. In der Kinder-und Jugendpastoral wurde das Thema Umweltschutz und Schöpfungsbewahrung thematisiert. Wir haben beispielsweise mit den Kindern eine Müllsammelaktion gemacht.
Allgemein habe ich für Arbeit, die den Umweltschutz betrifft, in meinem peruanischen Umfeld viele wertschätzende Worte erlebt und das Gefühl gehabt, dass in meiner Einsatzstelle großer Wert darauf gelegt wurde, dass das Thema einen großen Stellenwert hat und aktiv in die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Institutionen einbezogen wird.
Der Schwerpunkt im Projekt wurde nun unter anderem auch auf die Vermittlung des ökologischen Gemüseanbaus verlagert, da sich der Anbau durch die klimatischen Bedingungen in Pulpera erschwert. Eltern, Lehrer*innen und Schüler*innen werden dafür durch Techniker beraten und unterstützt, da der Anbau auf circa 4000 Höhenmetern durch teilweise sehr kalte Nächte und nicht durchgehend gesicherte Wasserversorgung beeinflusst wird.

Wie blickst du nach deinem Auslandsjahr, in dem du sehr einfach gelebt und die Auswirkungen des Klimawandels sehr konkret gespürt hast, heute auf Deutschland?

Ich glaube ich bin gar nicht die, die da Auswirkungen selbst sehr konkret gespürt hat, da ich mich immer in einer sehr privilegierten Situation befunden habe. Ich habe aber Hinweise von Auswirkungen des Klimawandels mit eigenen Augen sehen können; Menschen kennen gelernt, die selbst in ihrem Alltag davon betroffen sind und oder in Zukunft sein werden. Und ich habe mich gefragt, welchen Anteil ich selbst und die Gesellschaft aus der ich komme, daran haben, dass es diese Auswirkungen gibt bzw. dass sie gravierender werden.
Als ich zurück kam, habe ich Gefühle von Scham, Schuld und auch Verachtung gegenüber meiner manchmal gedankenlosen Lebensweise empfunden. Und auch ein Verantwortungsgefühl gegenüber meinen Mitmenschen in Peru, denn sie waren meine Kolleg*innen, Nachbar*innen und Vertraute geworden. Daraus hat sich dann der Wunsch entwickelt, Dinge zu verändern und mit gewohnten Routinen zu brechen, diese zu hinterfragen und zu verändern.

Hat sich seit dem Jahr in Peru dein Lebensstil geändert?

Ja, ich glaube meine Sicht auf das Leben hat sich verändert. Auch auf die Gesellschaft und die Art wie wir hier in Deutschland leben. Wir sind privilegiert und haben so viele Wahlmöglichkeiten in unseren Entscheidungen, die sehr viele Menschen nicht haben. Ich sehe es nicht nur als Möglichkeit, sondern auch als meine Pflicht an, diese Wahlmöglichkeiten mit Hinblick auf das Wohl Anderer gewissenhaft abzuwägen, bevor ich handele. Ich habe mich schon vor meinem Freiwilligendienst damit beschäftigt, wie ich meinen Alltag nachhaltiger gestalten kann, aber jetzt versuche ich, stärker als vor meinem FDA in meinem alltäglichen Handeln darüber nachzudenken, welche Folgen mein Denken, mein Handeln und meine Entscheidungen für andere Menschen und die Welt haben könnten. Natürlich denke ich dabei in besonderem Maße an die Menschen, mit denen ich ein Jahr lang meine Leben teilen durfte; der emotionale Bezug zum Thema hat sich verstärkt.

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Ich bin beispielsweise seit meiner Rückkehr aus Peru noch nicht wieder geflogen; vor meinem Perujahr saß ich regelmäßig und mehrmals jährlich im Flieger. Natürlich ist mein Wunsch zu reisen nach wie vor groß, aber ich möchte mein persönliches Vergnügen in diesem Bereich nicht höher gewichten, als die Konsequenzen, die dieses Verhalten für andere haben könnte. Ich versuche also, über Alternativen nachzudenken und bin so zum Beispiel im vergangenen Jahr mit dem Zug nach England gefahren, um Freunde zu besuchen. Bevor ich etwas kaufe frage ich mich häufiger: ,,Brauche ich das wirklich oder will ich es einfach nur haben; gibt es eine nachhaltigere Alternative?‘‘ Ich versuche, bewusstere und bedachtere Konsumentscheidungen zu treffen. Das klappt mal mehr, mal weniger gut.

Hat das Thema Umweltschutz für dich auch eine theologische Bedeutung?

Ich denke vor allem in Bezug aufs Christ sein und mit Blick auf Nächstenliebe kann und sollte unsere Welt nicht am eigenen Gartenzaun enden. Ich persönlich fühle mich moralisch dazu verpflichtet, mein eigenes Verhalten und meine Lebensweise zu reflektieren. Für mich hat das etwas mit einer persönlichen Haltung zu tun; mit der Frage wie ich leben möchte mit Blick auf mich und andere , mit dem Blick auf zukünftige Generationen, wenn ich mein Patenkind sehe und natürlich auch mit der Wertschätzung des eigenen Lebens, denn ich empfinde es als Geschenk auf dieser schönen Erde leben zu dürfen. Dementsprechend möchte ich mir auch Mühe geben, diese Dankbarkeit in Taten auszudrücken und die Erde als unseren Lebensort wertschätzen.

Zu Beginn der Corona-Krise ist der weltweite CO2-Ausstoß rapide gesunken. Könnte diese Krise eine Chance sein, um auch beim Umweltschutz umzudenken?

Ich hoffe das und wünsche es mir sehr! Ich hoffe, dass wir alle jetzt die Möglichkeit haben uns ein bisschen zu besinnen. Ich glaube, durch die Einschränkungen des Corona Virus haben wir die Chance bekommen, zu sehen, was für uns wichtig ist, was wir brauchen und was vielleicht auch nicht.
Ich glaube, dass es eine Chance für uns alle sein kann, in uns zu gehen, zu reflektieren und unsere eigene Lebensweise zu überdenken und im Anschluss möglicherweise auch zu verändern. Und ich hoffe, dass wir trotz der Notwendigkeit uns räumlich voneinander distanzieren zu müssen, irgendwie näher zusammenrücken, natürlich auch global betrachtet. Plötzlich gibt es mit Corona auch etwas, das uns alle in ähnlicher Weise betrifft und uns verbinden kann und ich hoffe, dass wir alle versuchen werden, das Beste daraus zu machen