Maßnahmen des Bistums Osnabrück nach der Veröffentlichung des Zwischenberichts


Die Universität Osnabrück legte am 20. September 2022 den Zwischenbericht zur Studie „Betroffene – Beschuldigte – Kirchenleitung. Sexualisierte Gewalt an Minderjährigen sowie schutz- und hilfebedürftigen Erwachsenen durch Kleriker im Bistum Osnabrück seit 1945“ vor. Darin untersuchte eine Forschungsgruppe der Universität, wie insbesondere die Bistumsleitungen mit Fällen sexualisierter Gewalt im Bistum Osnabrück umgegangen sind. Der Bericht stellt zum Teil erhebliche Mängel fest, vor allem im direkten Umgang mit Betroffenen und Beschuldigten sexualisierter Gewalt, aber auch zum Beispiel bei der Führung von Akten im Bischöflichen Generalvikariat.

Als Reaktion auf den Zwischenbericht kündigte der damalige Diözesanbischof Franz-Josef Bode verschiedene Maßnahmen an, die den bereits 2019 eingerichteten Schutzprozess gegen sexualisierte Gewalt im Bistum weiter verbessern und vertiefen sollen.

Intensivierung des Dialogs mit den Betroffenen

Bereits im Frühjahr 2022 hatte sich der gemeinsame Betroffenenrat Nord für die (Erz-)bistümer Hamburg, Hildesheim und Osnabrück konstituiert. Mittlerweile entsendet der Betroffenenrat Nord ein Mitglied in die Monitoring-Gruppe im Osnabrücker Schutzprozess. Damit ist sichergestellt, dass der Betroffenenrat aktiv in die Belange der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Bistum Osnabrück einbezogen wird und mit verschiedenen Bistumsverantwortlichen im Austausch steht.

Unabhängige*r Beauftragte für den Schutzprozess

Zur personellen Verstärkung des Schutzprozesses wurde die Stelle einer*eines Unabhängigen Beauftragten im Schutzprozess ausgeschrieben. Der Beauftragten obliegt die verwaltungsverfahrens- und kirchenrechtliche Begleitung aller bekannt gewordenen und bekanntwerdenden Fälle von sexueller Gewalt und geistlichem Missbrauch im Bistum Osnabrück. Sie hat die Verantwortung für Dokumentation und statistische Erfassung aller Vorgänge. Sie ist Kontaktperson zu den externen Ansprechpersonen und den staatlichen Stellen. Die Beauftragte hat außerdem die Geschäftsführung der Koordinationsinstanz, in der über das Vorgehen bei jeder neue Fallmeldung beraten wird, sowie der AG „Sanktionen und Kontrolle von Tätern und Umgang mit Beschuldigten“ inne. Die Unabhängige Beauftragte nimmt keine Weisungen der Bistumsleitung entgegen. Weisungsberechtigt ist allein die überwiegend mit externen Mitgliedern besetzte Monitoring-Gruppe des Schutzprozesses, deren beratendes Mitglied sie ist.

Seit dem 1. Februar 2024 hat Sarah Röser die Aufgabe der Unabhängigen Beauftragten für den Schutzprozess übernommen.

Ombudsperson für Betroffene sexualisierter Gewalt im Bistum Osnabrück

Bischof Franz-Josef Bode kündigte als Reaktion auf den Zwischenbericht auch die Schaffung der Stelle einer Ombudsperson für Betroffene sexualisierter Gewalt im Bistum Osnabrück an. Die Aufgaben der Ombudsperson sind Beratung und Hilfeleistung für alle Betroffenen, die darum
nachsuchen. Darüber hinaus wirkt sie, wenn der Wunsch nach Gesprächen besteht, auch als Vermittler zwischen Betroffenen und der Bistumsleitung, sowie zwischen Betroffenen und den
unabhängigen Ansprechpersonen. Die Ombudsperson ist ebenfalls nicht an die Weisungen der Bistumsleitung gebunden.
Seit November 2023 übernimmt Simon Kampe im Bistum Osnabrück diese Aufgabe. Der Betroffenenrat Nord wirkte im Auswahlverfahren für diese Stelle aktiv mit.

Fonds für Betroffene

Der Ombudsperson steht seit Amtsantritt der Fonds mit dem Titel „Unterstützung und Hilfestellung für Betroffene sexualisierter Gewalt und geistlichem Missbrauch zur Wahrnehmung ihrer Rechte und ersten Hilfe bei allen in diesem Zusammenhang entstandenen Problemen“ zur Verfügung. Der Fonds wurde vom Bistum zunächst mit einem Betrag von 50.000 Euro ausgestattet. Zuwendungen aus dem Fonds sind unabhängig von bereits gezahlten oder beantragten Mitteln aus dem Bereich „Anerkennung des Leids“.
Auch die Höhe der Anerkennungsleistungen, die direkt an die Betroffenen gehen, hat sich in den vergangenen zwei Jahren im Durchschnitt gesteigert: So wurden seit September 2022 in 13 Fällen insgesamt 273.000 Euro ausgezahlt.

Umgang mit Beschuldigten und Tätern

Der wesentlich extern besetzten Gruppe des Schutzprozesses, in deren Verantwortung unter anderem die Beurteilung von Einsatzmöglichkeiten beschuldigter Kleriker liegt, gehört nun auch die Unabhängige Beauftragte an, die auch die Geschäftsführung der AG übernimmt. Vertreter des Bistums nehmen beratend teil. Die Leitung der Gruppe wird zukünftig einem externen Mitglied der Gruppe obliegen.
Detaillierte Regelungen zum nachhaltigen Umgang mit Tätern und Beschuldigten sind in Vorbereitung. Geplant ist, in naher Zukunft eine Führungsaufsichtsordnung in Kraft zu setzen.

Meldung von Fällen sexualisierter Gewalt an die gesetzliche Unfallversicherung

Die deutschen Bistümer, so auch das Bistum Osnabrück, haben Fälle sexualisierter Gewalt in der Vergangenheit nicht im erforderlichen Umfang an die gesetzliche Unfallversicherung – hier an die Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG) – gemeldet. Dies wurde auch im Zwischenbericht der Universität Osnabrück beanstandet. In Gesprächen zwischen dem Verband der Diözesen Deutschlands (VDD) und der VBG über den konkreten Meldeweg, die zum Veröffentlichungszeitpunkt des Zwischenberichts noch nicht abgeschlossen waren, wurde im Jahr 2023 ein Vorgehen definiert. Bei der Ausarbeitung dieses Meldeweges wurden neben dem VDD und der Berufsgenossenschaft auch Betroffenenvertretungen einbezogen. Die Bistümer nahmen daraufhin schriftlich Kontakt zu den Betroffenen auf und informierten diese darüber, dass eine Meldung an die Verwaltungsberufsgenossenschaft erfolgt, sofern kein aktiver Widerspruch gegen das abgestimmte Vorgehen innerhalb einer festgelegten Zeitspanne eingelegt wird. Im Zuge dieses Verfahrens meldete das Bistum Osnabrück im Jahr 2023 insgesamt 44 Fälle aus der Zeit ab 1963. Im Jahr 2024 erfolgten durch das Bistum Osnabrück in Abstimmung mit den jeweils betroffenen Personen zwei weitere Meldungen aus diesem Zeitraum.
Somit liegen der Verwaltungsberufsgenossenschaft aktuell 46 Fälle zur weiteren Bearbeitung vor. Der Bearbeitungsstand der jeweiligen Fälle, beziehungsweise wie viele dieser Meldungen zu Leistungen durch die VBG geführt haben oder aber führen werden, ist dem Bistum nicht bekannt.

Geteilte Personalverantwortung für Priester

Änderungen gab es, wie 2022 angekündigt, auch im Bereich der Personalverantwortung. Die Leitung des Bischöflichen Personalreferats, das sich um die Belange des pastoralen Personals, also der Priester, Diakone, Pastoral- und Gemeindereferent*innen kümmert, wurde geteilt: Seit dem 1. Juni 2023 übernehmen Yvonne von Wulfen und Thilo Wilhelm als Doppelspitze diese Aufgabe. Die Personalverantwortung für die Priester liegt somit nicht mehr einzig in der Hand eines Priesters.

Rechenschaftsbericht des Bischofs an den Gemeinsamen Rat

Bischof Franz-Josef Bode kündigte nach dem Zwischenbericht an, dem Gemeinsamen Rat künftig jährlich einen detaillierten Bericht vorzulegen, in dem er zentrale Entscheidungen in den Bereichen Personal, Pastoral sowie zum Schutzprozess aufführt. Dies solle auch in der Geschäftsordnung des Gemeinsamen Rates entsprechend verankert werden. Durch den Rücktritt des Bischofs im März 2023 und der damit verbundenen Auflösung des Gemeinsamen Rates war eine Vorlage des Berichts nicht mehr möglich.

Vorschriftsmäßiger Umgang mit Personalakten

Die von der Deutschen Bischofskonferenz am 22. September 2021 beschlossene „Ordnung über die Führung von Personalakten und Verarbeitung von Personalaktendaten von Klerikern und Kirchenbeamten“ wurde im Bistum zum 1. Januar 2022 in Kraft gesetzt. Seither ist die auch vom Zwischenbericht der Studie eingeforderte vorschriftsgemäße Aktenführung in der Umsetzung.

Einrichtung einer Arbeitsgruppe zum angemessenen Umgang mit dem Andenken verstorbener Täter

Durch den Rücktritt von Bischof Franz-Josef Bode konnte die Bildung einer Arbeitsgruppe zum Umgang mit dem Andenken an verstorbene Täter nicht weiterverfolgt werden. Der Ombudsmann für Betroffene sexualisierter Gewalt ist aber über das Thema Erinnerungskultur mit dem Betroffenenrat des Bistums im Gespräch. Das Bistum Osnabrück hat, über die von Bischof em. Franz-Josef Bode im Rahmen der Pressekonferenz vom 22. September 2022 genannten Punkten hinaus, inzwischen noch weitere Maßnahmen ergriffen:

Beauftragung Studie zum geistlichen Missbrauch

Das Bistum Osnabrück hat gemeinsam mit dem Bistum Münster, der Deutschen Bischofskonferenz und dem Orden der Thuiner Franziskanerinnen im Dezember 2022 ein umfangreiches Forschungsprojekt beauftragt, das das Themenfeld des geistlichen Missbrauchs untersucht. Die Studie läuft über einen Zeitraum von drei Jahren. Während dieser Zeit forscht ein wissenschaftliches Team der Universität Münster unter der Leitung von Prof. Dr. Judith Könemann (Institut für Religionspädagogik und Pastoraltheologie) zu Ursachen und möglicher Prävention von geistlichem Missbrauch. Ziel der Studie ist es, auf Basis der Erfahrungen von Betroffenen, Interviews mit Zeitzeug*innen und Aktenanalyse grundlegende Faktoren zu ermitteln, die geistlichen Missbrauch begünstigen, und daraus Perspektiven für die Prävention zu entwickeln. Ein besonderer Fokus liegt auf der Untersuchung von geistlichem Missbrauch in geistlichen Gemeinschaften in den Bistümern Osnabrück und Münster.

Verbesserung der Abläufe im Schutzprozess

Die Ordnung des Schutzprozesses gibt den Verantwortlichen im Bistum Regeln und Abläufe vor, wie beispielsweise mit neuen Fällen sexualisierter Gewalt umzugehen ist, wer über was informiert werden muss und welche Maßnahmen zum Schutz der Betroffenen ergriffen werden. Diese Vorgaben sollen den Betroffenen eine größtmögliche Transparenz und Sicherheit geben. Die Prozesse wurden in den vergangenen zwei Jahren weiter etabliert und professionalisiert. So wird beispielsweise bei größeren Veranstaltungen zu den Themen des Schutzprozesses inzwischen auch eine psychologische Begleitung gewährleistet.

Weitere Infos

  • Aktuelle Informationen zur Studie gibt es auf der Internetseite der Universität.
  • Grundlegende und aktuelle Informationen zum Schutzprozess und zu Prävention und Missbrauch im Bistum Osnabrück gibt es hier.
  • Hier finden Sie eine Übersicht mit weiteren Informationen zur Aufarbeitungsstudie.

Prävention

Die Koordinationsstelle zur Prävention von sexualisierter Gewalt steuert die diözesane Präventionsarbeit. Sie steht für alle Anregungen und Fragestellungen zum Thema Prävention zur Verfügung. Eine ihrer Aufgaben ist auch die Schulung von Mitarbeitenden im Raum der Kirche – also beispielsweise in den Kindergärten und Kindertagesstätten, im pastoralen Dienst, in den kirchlichen Schulen, in der Caritas und im Bischöflichen Generalvikariat.

Die Schulungen vermitteln unterschiedliche Aspekte der Präventionsarbeit. Es geht unter anderem um Wissensvermittlung in den Bereichen Kindeswohl und Strategien von Täter*innen, um eine Sensibilisierung mit dem Blick auf Nähe und Distanz sowie um die Auseinandersetzung mit der eigenen Haltung. Prävention von sexualisierter Gewalt hat das Ziel, die Menschen in den Einrichtungen des Bistums zu schützen und zu befähigen, hinzusehen und Verantwortung füreinander zu zeigen. Die unterschiedlichen Schulungsformate können nur von entsprechend qualifizierten Multiplikator*innen geleitet werden.

Im Jahr 2023 wurden insgesamt 1515 Personen geschult. Im ersten Halbjahr 2024 wurden 1295 kirchliche Mitarbeitende durch das Team der Koordinierungsstelle und ausgebildete Honorarkräfte geschult.

Stand: 9. Oktober 2024