Schwer erbauliche Literatur

Der Heilsspiegel aus Kloster Einsiedeln
Bild: Diözesanmuseum Osnabrück

Was hat ein Wal mit Jesus zu tun und der brennende Dornenbusch mit Maria? Im Mittelalter hätten viele Menschen eine Antwort darauf gehabt, nicht zuletzt aufgrund sogenannter „Heilsspiegel“. Das waren Bücher, die in Texten und Bildern den Menschen die Kernbotschaften des christlichen Glaubens näherbrachten und sich damit nicht nur an Theologen, sondern auch und gerade an Laien wandten. Eines der berühmtesten wird heute im Kloster Einsiedeln in der Schweiz aufbewahrt.

Die Schrift gehört zur sogenannten Erbauungsliteratur, die im späten Mittelalter immer beliebter wurde. Dabei handelt es sich um religiöse Texte, die aber keinen wissenschaftlichen Anspruch hatten. Sie dienten Laien zum Trost, zum Gebet und zur Vertiefung der eigenen religiösen Praxis. Vorläufer waren etwa die Legenden der Heiligen, die ebenfalls sehr beliebt waren.

Der Heilsspiegel aus Kloster EinsiedelnDem Bildprogramm kam in diesen Schriften von Beginn an eine ganz besondere Bedeutung zu und war eng mit den Texten verknüpft. Auch im Heilsspiegel aus Einsiedeln kam die sogenannte Typologie zum Einsatz – das bedeutet, dass einer Geschichte aus dem Neuen Testament jeweils eine aus dem Alten gegenübergestellt wird. Dahinter steht der seit frühchristlicher Zeit verbreitete Gedanke, dass das Alte Testament voller Zeichen ist, die bereits auf Jesus als Erlöser hindeuten. Typos und Antitypos ergeben jeweils ein Paar: So ist Jonas, der drei Tage im Bauch des Wales verbrachte der Typos für Jesus, der nach drei Tagen im Grab wieder auferstand. Und der brennende Dornenbusch war ein bekannter Typos für die Jungfrauengeburt.

Weitere Infos

Die Herkunft des Einsiedelner Heilsspiegels liegt im Dunkeln. Der Auftraggeber ist unbekannt. Möglicherweise entstand es um 1450 in Paris, aber auch die südlichen Niederlande kommen als Entstehungsort infrage. Erst im Verlauf des 18. Jahrhunderts gelangt es in den Bestand der Stiftsbibliothek, wo es noch heute aufbewahrt wird. Die Bibliothek blickt auf eine über 1000-jährige Geschichte zurück und betrieb im Mittelalter eine eigene Schreibstube, aus der sich ebenfalls einige Schriften erhalten haben. Dennoch gehört der Heilsspiegel zu den bedeutendsten Manuskripten.

Der Heilsspiegel aus Kloster EinsiedelnDarum kommt ihm auch regelmäßig eine besondere Bedeutung zu: bei der alljährlichen Feuerschutzübung auf dem Klostergelände. 17 Ordensbrüder unterstützen die Dorffeuerwehr dabei, sich auf dem weitläufigen und verwinkelten Gelände zu orientieren und erinnern dabei auch an die sogenannte Prioritätenliste: eine Aufstellung der wichtigsten und kostbarsten Kulturgüter, die im Ernstfall so schnell es geht aus den Räumlichkeiten geschafft werden müssen. Ganz oben: der Heilsspiegel mit der Inventarnummer 206.

 

 

 

 

 

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