Unter Brüdern

Mario Luigi
Bild: pixaby.com, Alexa Fotos

In jener Zeit sprach Jesus zu den Hohenpriestern und Ältesten des Volkes: Was meint ihr? Ein Mann hatte zwei Söhne. Er ging zum ersten und sagte: Mein Kind, geh und arbeite heute im Weinberg! Er antwortete: Ich will nicht. Später aber reute es ihn und er ging hinaus. Da wandte er sich an den zweiten und sagte zu ihm dasselbe. Dieser antwortete: Ja, Herr – und ging nicht hin. Wer von den beiden hat den Willen seines Vaters erfüllt? Sie antworteten: Der erste. Da sagte Jesus zu ihnen: Amen, ich sage euch: Die Zöllner und die Dirnen gelangen eher in das Reich Gottes als ihr. Denn Johannes ist zu euch gekommen auf dem Weg der Gerechtigkeit und ihr habt ihm nicht geglaubt; aber die Zöllner und die Dirnen haben ihm geglaubt. Ihr habt es gesehen und doch habt ihr nicht bereut und ihm nicht geglaubt.  

Matthäus 21,28-32

 

Mit Brüdern ist das so eine Sache. Sie sind sich nahe von Geburt an, manche bleiben das auch ein ganzes Leben; andere gehen getrennte Wege, weil sie einander verwandt aber fremd und unterschiedlich sind. Berühmte Brüder- oder auch Geschwisterpaare unserer Zeit lassen sich für alle Lebensbereiche rasch benennen: Die Politiker Hans- Jochen (SPD) und Bernhard Vogel (CDU), die Brüder Richard und Carl-Friedrich von Weizsäcker – der eine Bundespräsident, der andere Physiker und Philosoph; aus dem Sport die Brüder Vitali und Wladimir Klitschko, der erste im politischen Ring als Bürgermeister von Kiew, der andere „schlägt“ sich nach wie vor durchs sportliche Leben; oder die Fußballer Jerome und Kevin-Prince Boateng – unterschiedlicher können Brüder kaum sein; auch lohnt ein Blick in die Literaturgeschichte: Jacob und Wilhelm Grimm, denen wir die Sammlung so vieler schöner Märchen verdanken, sind nur ein Beispiel.

Erzählungen und Berichte von Brüdern oder Geschwistern sind oft nah an eigenen familiären Erfahrungen von Liebe, Streit und Konkurrenzen. Das weiß auch die Bibel. Die Brüder-Thematik durchzieht schon das Alte Testament. Bei Kain und Abel beginnt das dramatisch und endet bekanntlich im Brudermord, das Thema führt weiter über die Halbbrüder Ismael und Isaak; dann lesen wir von Isaaks Söhnen Esau und Jakob. Letzterer flieht vor der Rache des von ihm um das Erbe betrogenen Erstgeborenen.

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Jesus greift diese Thematik der Brüdergeschichten mehrfach auf. Am bekanntesten ist sicher das Gleichnis „vom verlorenen Sohn“, das auch heißen könnte „Gleichnis von den verschiedenen Brüdern“ (Lukas 15,11-32). Im Gleichnis des oben stehenden Evangeliums erzählt Jesus ebenfalls von zwei Brüdern, die ganz unterschiedlich handeln. Der erste erteilt dem Vater auf dessen Bitte ohne Umschweife eine Absage: Arbeit im Weinberg: Nein, danke! Dann bereut er die Absage aber, und er geht doch in den Weinberg. Der zweite führt – wie wir heute sagen würden – den Vater „hinter die Fichte“! Er sagt dem Vater scheinheilig zu, seinen Auftrag zu erfüllen, tut es aber nicht. Er sagt Ja, meint aber Nein!

Fazit: Jesus geht es um das einfache und verlässliche „Ja“ zum Ruf Gottes. Umwege und Irrwege eingeschlossen. Es kommt ihm nicht darauf an, nach außen zu proklamieren, man sei man fromm und gottesfürchtig. Es geht ihm vielmehr darum, nach Gottes Wort zu leben und zu handeln. Er nennt das den „Weg der Gerechtigkeit“.

Auf seinem eigenen irdischen Weg hat er immer wieder gezeigt, wie nah ihm die Menschen waren, die nach offizieller Meinung als verlorene Sünder galten: die Zöllner und die Dirnen. Das war seine Familie. „Denn wer den Willen meines himmlischen Vaters tut, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.“ Das sagt Jesus an anderer Stelle des Evangeliums (Matthäus 12,46-50). Ja, auch Jesus hatte Brüder. Schade eigentlich, dass wir – von Ausnahmen wie Jakobus abgesehen – so wenig von ihnen wissen.

Diakon Gerrit Schulte