Verlorenes Vertrauen zurückgewinnen

Hände bauen Trum aus Steinen
Bild: unsplash.com, Andrik Langfield

Ich stehe an der Kasse im Supermarkt. Vor mir noch einige Kunden. Ein starker Andrang. Plötzlich spricht mich ein Wartender laut an: „Sie sind auch Priester, oder? Haben Sie auch Kinder missbraucht?“

Ich schweige, gebe keine Antwort, außer dass ich bestätige, Priester zu sein. Die anderen Wartenden schauen mich an. Blicken auf den Fragenden. Ich bezahle Milch und Obst und gehe nach Hause. Unterwegs kommen mir Fragen: Habe ich angemessen reagiert? Hätte ich mich verteidigen müssen? Wie könnte eine überzeugende Antwort aussehen?

Auch nach einigen Tagen bin ich mit meiner Reaktion nicht zufrieden. Aber angesichts der schrecklichen Taten von Priestern und anderen kirchlichen Mitarbeitern an Kindern und Jugendlichen, was kann ich als Mitglied und Vertreter der Kirche da sagen? Die Verbrechen haben bei den Opfern unendlich viel zerstört und beeinträchtigen ihr ganzes Leben. Im Augenblick bleibt nur Schweigen, Trauer.

Reden und differenzieren kann ich, wenn der Wartende mich noch einmal anspricht und dann signalisiert: Ich will mit dir sprechen, ich bin noch nicht fertig. Vielleicht kann es dann gelingen, einen Generalverdacht in der Wahrnehmung von Kirche zu korrigieren.

Über den Autor

Theo Paul ist Generalvikar und damit Stellvertreter des Bischofs und Leiter der Verwaltung des Bistums. In seinen Blogbeiträgen greift er gerne aktuelle Themen auf.

In diesen Tagen wird eine Studie über sexuellen Missbrauch in der Katholischen Kirche veröffentlicht. Die Kirche und besonders Priester, Ordensleute und Diakone werden damit konfrontiert, dass in ihren Reihen in Vergangenheit und Gegenwart Vertrauen und Macht pervertiert wurden und so großes Leid über Unschuldige brachten. Das gilt es einzugestehen. Es gilt aber auch zu handeln: den Opfern beizustehen, der Täter habhaft zu werden und mit aller Kraft die Prävention voranzutreiben. Es wird wohl lange Zeit dauern, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen.

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