Wenn wir die Liebe nicht hätten

Herz aus Schnee
Bild: unsplash.com, Mara Ket

Setzt euch für diese wichtigen Aufgaben ein. Und ich kann euch auch noch einen wunderbaren Weg dazu zeigen. Wenn ich wie ein Mensch rede oder wie ein Engel und bin ohne Liebe, bin ich ein schepperndes Blech und eine gellende Zimbel. Und wenn ich die Gabe habe, die Zeichen der Zeit zu deuten, und alles Verborgene weiß und alle Erkenntnis habe und alles Vertrauen, so dass ich Berge versetzen kann, und bin ohne Liebe, dann bin ich nichts. Und wenn ich alles, was ich kann und habe, für andere aufwende und mein Leben aufs Spiel setze selbst unter der Gefahr, auf dem Scheiterhaufen zu enden, und bin ohne Liebe, hat alles keinen Sinn. Die Liebe hat einen langen Atem und sie ist zuverlässig, sie ist nicht eifersüchtig, sie spielt sich nicht auf, um andere zu beherrschen. Sie handelt nicht respektlos anderen gegenüber und sie ist nicht egoistisch, sie wird nicht jähzornig und nachtragend. Wo Unrecht geschieht, freut sie sich nicht, vielmehr freut sie sich mit anderen an der Wahrheit. Sie ist fähig zu schweigen und zu vertrauen, sie hofft mit Ausdauer und Widerstandskraft. Die Liebe gibt niemals auf. Prophetische Gaben werden aufhören, geistgewirktes Reden wird zu Ende gehen, Erkenntnis wird ein Ende finden. Wir erkennen nur Bruchstücke, und unsere Fähigkeit, Zusammenhänge zu erkennen, ist begrenzt. Wenn aber die Vollkommenheit kommt, dann hört die Zerrissenheit auf. Als ich ein Kind war, redete und dachte ich wie ein Kind und war klug wie ein Kind. Als ich erwachsen wurde, ließ ich zurück, was kindlich war. Wir sehen vorläufig nur ein rätselhaftes Spiegelbild, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Heute erkenne ich bruchstückhaft, dann aber werde ich erkennen, wie ich von Gott erkannt worden bin. Jetzt aber leben wir mit Vertrauen, Hoffnung und Liebe, diesen drei Geschenken. Und die größte Kraft von diesen dreien ist die Liebe.

1. Korintherbrief 12,31 – 13,13 (Bibel in gerechter Sprache)

 

„When wounds are healed by love, the scars are beautiful.“ – „Wenn Wunden durch Liebe geheilt werden, sind die Narben wunderschön.“ (David Bowles)

Dieses Zitat ist mir zugefallen, als ich über den Lesungen dieses Sonntags brütete. Und ich konnte ihm einfach nicht widerstehen. Einerseits ergänzt es aus meiner Sicht einen wichtigen Aspekt der Liebe, den Paulus in seinem sogenannten Hohelied der Liebe nicht ins Wort bringt, andererseits bestätigt es, warum die Liebe einen so hohen Stellenwert unter den Gaben Gottes einnimmt.

Mit poetischer Kraft legt Paulus dar, dass Liebe dazu beiträgt, das Miteinander von Menschen, insbesondere in der Gemeinde, positiv zu beeinflussen. Liebe ist wie eine Brille, durch die ich auf die Menschen um mich herum einen wohlwollenden und bestärkenden Blick erhalte. Und dadurch lassen sich auch Schwierigkeiten besser lösen. Eine Erfahrung, die wahrscheinlich jede*r schon einmal gemacht hat. Liebe ist aber nicht nur die Brille, mit der ich die Welt betrachten soll, sie ist auch das Fundament, das meinem Handeln und meinen Handlungen eine andere Qualität gibt. Ohne Liebe sind Erkenntnis, Sprachvermögen, selbst Gottvertrauen nichts wert.

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Und Liebe kann eben auch Wunden heilen. Die Wunden, die unser Herz, unser Selbstbewusstsein, unser Vertrauen erleidet durch das verletzende Verhalten einzelner Menschen oder durch immer wiederkehrende negative Erfahrungen. Wunden, die nicht einfach sichtbar sind für die anderen, aber manchmal so viel schwerer wiegen als körperliche Verletzungen. Diese Wunden werden selten allein durch Erkenntnis geheilt, nicht nur mit schönen Worten, wenn sie nicht von Liebe getragen sind. In der Regel bleiben Narben zurück. Aber die brauche ich nicht zu verstecken. Liebe verleiht ihnen Schönheit. Und selbst die tiefste Wunde, der Tod, findet durch Gottes Liebe in der Auferstehung Heilung. Das ist unsere christliche Überzeugung.

Hätten wir die Liebe nicht, so viele Wunden blieben ungeheilt bzw. hinterließen hässliche Narben, die unser eigenes Leben aber auch das Miteinander stark beeinträchtigen würden. Weil Liebe Verletzungen zu heilen vermag, ist ihre Kraft so groß, dass sie Hoffnung und Glaube umfängt.

Sähe die Welt nicht wirklich anders aus, wenn alle mit (mehr) Liebe auf uns selbst, auf die anderen, auf die Herausforderungen, die wir gemeinsam bewältigen müssen, blickten? Ich denke das zumindest sehr oft.

Auch wenn das einfach klingt, ist es das offensichtlich nicht. Also: Gott, schenke uns die Kraft der und die Fähigkeit zur Liebe!

Inga Schmitt, Pastoralreferentin