Verblüfft schaute ich von meinem Notizblock auf, als die Frau in unserem Gespräch auf meine Frage antwortete: „Ach, wir lassen die Blumen auf dem Sarg – damit er es nicht ganz so ungemütlich hat da unten.“ Das hatte ich als Reaktion noch nicht erlebt – und ich habe jetzt schon einige Beerdigungen geleitet und die entsprechenden Trauergespräche mit den Angehörigen geführt.
In der Regel kommen an dieser Stelle ganz praktische Argumente: „Da unten sieht die Blumen ja doch keiner!“ oder „es wäre doch schade drum!“ – und vielleicht hat mancher auch im stillen gedacht „das viele Geld!“. Logisch sind die Argumente durchaus nachvollziehbar – und, objektiv gesehen, hat der Verstorbene nun wirklich nicht mehr allzu viel von dem Blumengesteck auf dem Sarg.
Aber – die Tochter des Verstorbenen dachte weder logisch noch praktisch und am allerwenigsten kostengünstig.
Zugegeben – im ersten Moment habe ich innerlich auch den Kopf geschüttelt, aber gleichzeitig berührte es mich irgendwie. Und je länger ich darüber nachdachte, umso liebenswerter und sympathischer fand ich eigentlich ihre Entscheidung, und auch ihre Begründung: „… damit er es nicht so ungemütlich hat da unten.“
Über die Autorin
Andrea Schwarz ist Schriftstellerin, war lange Jahre pastorale Mitarbeiterin im Bistum Osnabrück und lebt im Emsland. Sie ist eine genaue und sensible Beobachterin ihrer Umwelt und der Menschen, denen sie begegnet. In ihren Texten versucht sie, Gott mitten im Alltag zu entdecken und Lust aufs Leben zu machen – nun erstmals auch in Form von Blogbeiträgen!
Natürlich ist es die reinste Verschwendung, ein Blumengesteck von 200 Euro mit dem Sarg in die Erde zu geben und anschließend Erde darauf zu schaufeln. Und es entzieht sich vollkommen unserem gewohnten „Kosten-Nutzen-Denken“. Aber ist es möglicherweise nicht gerade das, was wir als Kontrapunkt in unserer Gesellschaft immer wieder einmal brauchen? Dass sich jemand den herkömmlichen Kriterien, dem herkömmlichen Denken entzieht – und vollkommen unlogisch etwas verschwendet?
„… er es nicht so ungemütlich hat da unten!“ – das sagt in aller Unbeholfenheit auch etwas über die Liebe der Tochter zu ihrem Vater aus. Und es mag sein, dass Liebe und Verschwendung zusammengehören. Liebe entzieht sich unserem logischen Denken, da gilt keine Kalkulation, Liebe rechnet nicht. Liebe schenkt sich her, ja, verschwendet sich.
Und wäre es wirklich eine lebenswerte Gesellschaft, in der man nur noch rechnet und berechnet, aber sich nicht mehr traut, aus lauter Liebe auch einmal etwas zu verschwenden?
„… damit er es nicht so ungemütlich hat da unten!“ – nein, ich habe nicht mehr über diese Antwort gelächelt, sondern ich habe daraus gelernt – und selten habe ich so bewusst mit drei Schaufeln Erde auch ein wunderschönes Blumengesteck „begraben“.