Zeit für die Seele

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Bild: unsplash.com, Patricia

Sie ist das, was einen Menschen ausmacht, was jede und jeden einzigartig macht: die Seele. Doch auch wenn sie ein wesentlicher Bestandteil des Lebens ist, bleibt sie oft schwer greifbar. Bernhard Brinkmann ist Priester und Krankenhaus-Seelsorger im Marienhospital Osnabrück. Im Gespräch erzählt er, warum man sich gut um die Seele kümmern muss und wie das geht. Was die Seele mit Gott zu tun hat und warum sie in der katholischen Kirche sogar mit einem eigenen Gedenktag gefeiert wird, das erfahren Sie hier im Interview.

Sie sind Seelsorger, kümmern sich also dem Namen nach um die Seele – was heißt das konkret?

Bei der Seelsorge im Krankenhaus wird das sehr schön deutlich: Das medizinische Personal kümmert sich hier erst einmal um den Körper, der gesund werden soll. Seelsorgerinnen und Seelsorger sind eine wunderbare Ergänzung, weil sie Zeit für die Seele haben. Wir kümmern uns um den ganzen Menschen, besuchen die Patienten, haben ein offenes Ohr für deren Anliegen und Sorgen und Zeit für Gespräche.

Bernhard Brinkmann
Seelsorger Bernhard Brinkmann

Warum ist es wichtig, sich um die Seele kümmern?

Zum einen tue ich das aus einem biblischen Auftrag heraus – das ist das, was Jesus getan hat: auf Menschen zugehen und sie fragen: Was kann ich für dich tun? Wie kann ich dir zur Seite stehen? Das ist auch heute noch ein Grundauftrag von Kirche. Seelsorge ist für mich das, was Kirche im Kern ausmacht.

Zum anderen ist es in unserer heutigen Zeit, die so hektisch ist und so viel von uns fordert und erwartet, einfach wichtig, sich um die Seele zu kümmern.

Was genau ist das eigentlich, die Seele?

Für mich ist die Seele all das, was Menschen empfinden, erleben, denken, was sie berührt und bewegt – das, was den Menschen ausmacht, was ihn einzigartig macht. Mir geht es darum, den Menschen als Ganzes zu sehen und zu unterstützen. Seele steht für mich für die Person, die da vor mir steht.

Weitere Infos

  • Seelsorge gibt es nicht nur im Krankenhaus, sondern auch in jeder Kirchengemeinde und für weitere spezielle Felder. Ansprechpersonen finden Sie hier.
  • Seelsorge gibt’s im Bistum Osnabrück auch online.
  • Den Alltag unterbrechen – das geht auch mit Exerzitien. Mehr dazu erfahren Sie hier.

Seele ist ja ein sehr altes Wort, Seelsorge auch. Heute würde man vielleicht eher Psyche sagen – und die Psychologie ist modern und gefragt wie nie. Es ist heute auch überhaupt nicht ehrenrührig, in eine psychologische Beratung zu gehen, weil man einfach Beratung braucht in dieser komplexen Welt.

Hat die Seele auch etwas mit Gott zu tun?

Definitiv. Als Christ glaube ich, dass mein ganzes Leben von Gott geschenkt ist und die Seele ist das größte Geschenk. Sie ist der Teil von mir, der mit Gott in Kontakt treten will, wo ich Gott begegnen kann. Dazu gehört natürlich auch, dass die Seele nach christlicher Auffassung unverlierbar und fürs ewige Leben gemacht ist – weil dieses Geschenk von Gott nicht nur für eine gewisse Zeit gedacht ist, sondern für immer.

Wenn die Seele unsterblich ist, was passiert dann nach dem Tod mit ihr?

Da gibt es ganz unterschiedliche persönliche Vorstellungen und das ist auch gut so; auch Jesus hat es auf Nachfragen immer ein Stück weit offengelassen, wie das ewige Leben konkret aussieht. Ich glaube, dass die Seelen Verstorbener im Himmel bei Gott sind und dass wir uns dort wiedersehen, dass es viele Beziehungen geben wird, die dann nicht mehr örtlich und zeitlich begrenzt sind.

Die Frage danach, was nach dem Tod mit der Seele passiert, begegnet mir auch hier im Krankenhaus öfter. Wenn jemand zum Beispiel gerade verstorben ist, dass dann ein Fenster geöffnet wird, damit die Seele hinauskann. Das ist ja ein alter Brauch und manchmal auch heute noch eine Form der symbolischen Verarbeitung.

Die Seele hat in der katholischen Kirche sogar einen eigenen Gedenktag im Kirchenjahr: Allerseelen am 2. November – worum geht es an dem Tag?

Traditionell wird an dem Tag an die Verstorbenen gedacht, also an die Seelen, die nach unserem Glauben im Himmel sind. Wir feiern Allerseelen, um mit den Verstorbenen in Verbindung zu bleiben, uns an sie zu erinnern. Dazu gehen wir auf den Friedhof, zünden Kerzen an, segnen Gräber. Und dabei geht es eigentlich voll ums Leben! Denn das sind hoffnungsvolle Zeichen: Ich zünde eine Kerze an, da ist ein Licht, nicht Dunkelheit – das symbolisiert die Hoffnung, dass die Verstorbenen bei Gott weiterleben und wir uns wiedersehen. Das Weihwasser auf den Gräbern erinnert an das Taufwasser, mit dem wir alle getauft sind, als Gemeinschaft der Christen, der Lebenden und der Toten.

Selig sind aber nicht nur die Toten … Was bedeutet es im Alltag, wenn jemand selig ist?

Umgangssprachlich heißt selig sein ja: Ich fühle mich so wohl – im Urlaub auf dem Berg, beim Rockkonzert, zusammen mit anderen Menschen – dass mir das Herz aufgeht, dass die Emotionen überschießen und ich überglücklich bin.

Herbstbild mit Kürbis
Leckeres Essen, ein gutes Buch, viel Natur oder ein gemütlicher Nachmittag – was tut Ihrer Seele gut?

Rein biblisch gesehen fallen mir aber auch die Seligpreisungen ein, also selig sind z.B. die Trauernden oder die Verfolgten – da preist Jesus ja Menschen selig, die für uns auf den ersten Blick nicht unbedingt die glücklichsten sind. Aber Jesus schaut weiter: Sie sind selig, weil Gott sie liebt, weil es eine Verbindung zwischen Himmel und Erde gibt. Das ist selig dann eher im Sinne von gesegnet sein, in Kontakt mit Gott sein.

Seligkeit kann ich ja nicht machen, die ist auch immer ein Stück geschenkt. Ich muss offen sein für den Kontakt mit Gott, um das zu erleben.

Die Seele baumeln lassen oder Soulfood essen – was können wir unserer Seele Gutes tun?

Soulfood ist ja etwas, was ich zwar esse, also etwas Körperliches, aber es tut gleichzeitig meiner Seele gut. Etwas, das mir schmeckt, etwas Besonderes, auf das ich mich freue, was mir ein gutes Gefühl gibt. Egal, ob das jetzt ein Stück Schokolade ist oder etwas Gesundes, das mich froh macht. Die Seele baumeln lassen meint etwas Ähnliches: eine wohltuende Unterbrechung des Alltags.

Wichtig ist aus meiner Sicht, sich zwischendurch immer mal wieder zu fragen: Was brauche ich eigentlich? Das heißt, ein Stück weit die Betriebsamkeit einzustellen und bewusst zu schauen: Was tut mir gut? Wir sprechen manchmal von Atempausen für die Seele – das kann eine zehnminütige Gebetseinheit sein. Oder ich gehe mal eine Viertelstunde bewusst draußen spazieren und atme tief durch. Das ist eine Kraftquelle für den Alltag – und Balsam für die Seele.