Von 1968 bis 1981 war François Kardinal Marty Erzbischof von Paris. Von ihm ist folgende kleine Begebenheit überliefert:
Der Kardinal musste zu einer Konferenz in der Innenstadt von Paris. Sein Fahrer sagte zu ihm. „Ich kann hier nirgendwo parken. Ich lasse Sie jetzt heraus. Die zwei Stunden bis zum Ende der Konferenz werde ich immer um den Block herumfahren. Sie müssen dann am Straßenrand stehen und nach mir Ausschau halten, und ich werde nach Ihnen Ausschau halten. Wenn ich Sie sehe, kann ich ganz kurz anhalten, und Sie müssen ganz schnell einsteigen.“
Gesagt, getan. Während der Kardinal nach der Konferenz am Straßenrand stand und aufmerksam auf die Straße schaute, spürte er, dass von hinten jemand an seinem Mantel zupfte. Der Kardinal sah, dass sich ihm die Hand eines Bettlers entgegenstreckte.
Ohne den Blick von der Straße abzuwenden, kramte der Kardinal ein paar kleine Münzen aus der Jackentasche und drückte sie dem Bettler in die Hand. Der sagte: „Du bist doch der Kardinal.“ „Ja.“ „Du, von Dir brauche ich mehr – von Dir brauche ich Dein Gesicht.“
Über den Autor
Theo Paul ist Generalvikar und damit Stellvertreter des Bischofs und Leiter der Verwaltung des Bistums. In seinen Blogbeiträgen greift er gerne aktuelle Themen auf.
Christsein mit Gesicht – Seelsorger/innen, die Gesicht zeigen. Kirche, die ein Gesicht hat, dafür wirbt Papst Franziskus. Was mich an dieser Geschichte aus Paris beeindruckt: Der Kardinal lässt sich von dem Bettler konfrontieren. Wir sind mit Blick auf die Bettler nicht nur die Gebenden, sondern oft auch die Empfangenen.
In den zurückliegenden Jahren habe ich einen vielfältigen Kontakt zu den Fremden auf der Straße aufgebaut. Immer wieder berichten sie mir, welche Erfahrungen sie mit Beratungsdiensten und kirchlichen Stellen machen. Erleichtert erzählen sie von Begegnungen, in denen sie sich ernstgenommen gefühlt haben, wo sie geachtet wurden, wenn es auch nur kurze Augenblicke waren.