Antwort von Bischof Franz-Josef Bode zu Römer 3, 21-28

Bischof Franz-Josef Bode
Bild: Bistum Osnabrück

Liebe Frau Klostermeier, liebe Schwester im Glauben. Danke für diese Öffnung eines weiten und tiefen Raumes, der uns die für Luther und die Reformation so entscheidenden Worte aus dem Römerbrief besser ermessen und verstehen lässt.

Gerade weil wir in der Katholischen Kirche oft versucht sind, Strukturen und Gesetze so zu pflegen, dass der Raum des Geistes eingeschränkt zu werden droht, ist der Impuls der Reformation aus der persönlichen Erfahrung Luthers für uns so wichtig. Immer wieder müssen wir uns davon herausfordern lassen wie von einem Stachel im Fleisch, damit allzu irdische Machbarkeitsphantasien uns nicht übermächtigen.

Hinter den Ablasspredigten eines Pater Johann Tetzel vor 500 Jahren steht ja die Grundversuchung, sich Gottes Zuwendung und Anerkennung verdienbar machen zu wollen. Und das nicht nur in den plumpen Formen von damals mit materiellen Gütern oder mit Gebetsleistungen und einer Anhäufung von guten Werken. Heute sind die Formen weit subtiler, den immer größeren Gott in menschliches Maß zu zwängen. Das geht soweit, dass er selbst sich Anerkennung bei den Menschen verdienen muss als ein Gott, der nicht zu weit weg ist, damit er bei Bedarf noch helfen kann, der aber auch nicht zu nahe kommt, damit er nicht stört.

Reformation ist nicht nur ein Ereignis oder ein Vorgang. Reformation ist eine Haltung. Sie ist durchdrungen von der Zusage Gottes, dass wir, von ihm geliebt, Liebende werden, und, von ihm geachtet, achtsam füreinander. Reformation ist eine Haltung, getragen von dem Vertrauen, ein Gegenüber in dieser Welt zu haben, das anders und größer ist als wir; ein Gegenüber, das uns dazu befähigt, anderen ein wohlwollendes Gegenüber zu sein, das ihre Würde als Ebenbild Gottes anerkennt, das jeden auch anders sein lässt und ihn nicht vereinnahmt.

Damit kommen wir aber zu einem Akzent, zu einer Dimension, die die Katholische Kirche in besonderer Weise wahrt, eine Dimension, die Luther selbst durchaus auch im Blick hatte nach seiner Befreiung von dem Ringen um einen gnädigen Gott.

Denn das Vertrauen in Gott führt zu Haltungen, zu Verhalten, zur Wandlung der Verhältnisse, zu ethischen Konsequenzen, eben zu einem Glauben, der sich in der Liebe bewährt. Es führt zum Geschenk eines Glaubens, der sich inkarniert, der wieder Hand und Fuß annimmt in konkretem Sein und Handeln, nicht um die Liebe zu erringen, gar zu verdienen, sondern um der Liebe Ausdruck und Wahrheit zu geben. Gott erfüllt uns mit dem Geschenk des Glaubens und der Gnade nicht als tote Gefäße, sondern als lebendige Gefäße, die an der Wirksamkeit des Glaubens und der Gnade beteiligt sind.

Deshalb liegt uns auch das Sakramentale, das Zeichenhafte, das mit allen Sinnen Erfahrbare so sehr am Herzen. Deshalb suchen wir nach sichtbarer Einheit der Kirche. Deshalb sind die Feier der Liturgie und das Tun der Caritas so innerlich miteinander verbunden. Deshalb erkennen wir die bleibende Gegenwart Christi in der Substanz des Brotes und des Weins, die Gottes allmächtiges Wort ein für alle Mal verwandelt hat. Und wir vertrauen dabei auf Christi Wirken durch einen konkreten geweihten Menschen, der den Geist Gottes auf Brot und Wein herabruft, durch deren Wandlung Leib Christi entsteht in der Gemeinschaft der Kirche.

Lassen Sie uns, liebe Frau Klostermeier, sola fide et sola gratia gemeinsam danach streben, dass sich die eher evangelischen und die eher katholischen Dimensionen zu einer Einheit fügen – ich hoffe auch mit den orthodoxen Mitchristen. Die Vertiefung unseres gemeinsamen Glaubens an Christus, den menschgewordenen und doch immer größeren Gott, und den Heiligen Geist, der allen Glauben, alle Hoffnung und alle Liebe schenkt, hat im vergangenen Jahr den Grundwasserspiegel der Ökumene deutlich erhöht. Und darum endet dieses Jahr auch nicht einfach heute am 31. Oktober. Es führt uns weiter in eine Reformation als Haltung, in der Türen geöffnet bleiben, die niemand mehr schließen kann (vgl. Offb 3,8).