Am Anfang war das Wort

Zwei Bibelfenster zum 7. Januar 2011:

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist. In ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen.
Einheitsübersetzung, Johannes 1, 1-4

Mit diesen Zeilen beginnt der vielleicht berühmteste Text der Weltliteratur. Im griechischen Urtext ist vom Logos die Rede, was noch mehr bedeutet, als nur Wort allein. Gemeint ist damit die ganze Sinnhaftigkeit und Vernunft, die in der Schöpfung wohnt, die allem von Gott her zugrunde liegt. Gott ist in sich selbst Wort, er ist in sich Dialog und Beziehung, und er ruft alles durch sein Wort ins Dasein. Das können wir schon in der Schöpfungsgeschichte lesen: „Gott sprach, es werde Licht und es wurde Licht.“ Gottes Wort bewirkt, was es sagt.

Wenn wir nun aus den Weiten von Schöpfungstheologie und Universum zurückkehren in unseren Alltag: Welche Worte fallen uns dann ein? Worte, die in unserem Leben eine große Mächtigkeit und Wirksamkeit entfaltet haben? Worte, die vielleicht einen Anfang gesetzt haben, der bis heute wirkt? Es lohnt sich über die Macht der Worte für das eigene Leben einmal nachzudenken.

Das Bibelfenster

Hier kommentieren jede Woche Menschen aus dem Bistum Osnabrück eine Bibelstelle aus einer der aktuellen Sonntagslesungen – pointiert, modern und vor allem ganz persönlich.

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Mir fällt da auf Anhieb ein: Mein „Nein“ zum Kriegsdienst aus religiösen Gründen, das auch die so genannte Gewissensprüfung beim Kreiswehrersatzamt überstand. Das „Ja-Wort“, das meine Frau und ich uns vor mehr als 20 Jahren zugesagt haben. Und ein ganzer Satz fällt mir ein. An dem Kreuz in meinem Arbeitszimmer hängt ein mittlerweile gelb gewordener Zeitungsausschnitt mit der Nachricht vom Tod des Erzbischofs von San Salvador, Oscar Arnulfo Romero. Er wurde vor 30 Jahren während eines Gottesdienstes von Killern der Großgrundbesitzer ermordet. Das Papier enthält ein Zitat aus seiner letzten Predigt: „Mich kann man töten, aber nicht die Worte der Gerechtigkeit.“

Worte, bei denen wir in der Weihnachtszeit auch das Kreuz hinter der Krippe ahnen. Und Worte, die zugleich Sendung und Auftrag sind, das Wort des Lebens in die Finsternis der Welt zu rufen – trotz alledem. Fangen wir immer wieder damit an: jedes neue Jahr und jeden neuen Tag!

Diakon Gerrit Schulte

 

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist. In ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst. Es trat ein Mensch auf, der von Gott gesandt war; sein Name war Johannes. Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen. Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht. Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. Er war in der Welt und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind. Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit. Johannes legte Zeugnis für ihn ab und rief: Dieser war es, über den ich gesagt habe: Er, der nach mir kommt, ist mir voraus, weil er vor mir war. Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade. Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben, die Gnade und die Wahrheit kamen durch Jesus Christus. Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht.
Einheitsübersetzung, Johannes 1, 1-18

 

„Von Menschen und Göttern“ so lautet der Titel eines beeindruckenden Kinofilms, der in diesen Wochen zu sehen ist. 1996 wurden im Atlasgebirge in Algerien sieben Trappistenmönche ermordet. Die Tat wurde Islamisten zugeschrieben, die das Land in den 1990er Jahren mit fundamentalistischen Terror überzogen.

Die neun aus Frankreich stammenden Mönche sind knorrige Gestalten, die von ihrer handwerklichen Arbeit leben, dem Ackerbau und der Imkerei. Mit ihrer muslimischen Nachbarschaft pflegen sie freundschaftliche Beziehungen. Einer von ihnen ist Arzt und kümmert sich um die Kranken der Region, ein anderer hilft der Landbevölkerung bei Briefen und den Kontakt mit den Behörden. Sie sind einfach dazwischen – religiöser Eifer ist ihnen fremd – im Mittelpunkt ihres stillen Lebens steht das gesungene Stundengebet. Das Kloster ist ein friedvoller segensreicher Ort, was indirekt auch die Aufständischen anerkennen, die an Weihnachten 1993 das Kloster zum ersten Mal überfallen.
Dieser Überfall prägt den weiteren Klosteralltag: Bleiben oder gehen ist die Frage. Todesangst und Glaubenszweifel zerren an den Seelen der Mönche. Eindringlich wird das Ringen der Mönche gezeigt, im Land zu bleiben und den Tod zu riskieren, oder das Land und die Leute in Stich lassen. Sie bleiben. Aus Solidarität zu den Menschen und weil ihre Liebe zu Gott größer ist, als alle Gefahren.

Im Abwägen dieser Entscheidung spielt das Sonntagsevangelium nach Johannes eine zentrale Rolle. In einem geistlichen Impuls von Pater Christian (Vorsteher des Klosters) klingt dieses Evangelium durch. „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“.

Diese Trappisten sind Menschen, keine Götter. Sie zeigen sich mit ihren Stärken und Schwächen, Hoffnungen und Zweifel. Das Wort wird in ihrem Leben Fleisch. Weihnachten konkret. Sie sind Christen, die der nackten Gewalt, die Stärke der Gewaltlosigkeit entgegensetzen. Sie weichen den Konflikten nicht aus. Sicherlich in dem Bewusstsein, dass Konflikte von Anfang an zur christlichen Existenz dazu gehören. Auch Weihnachten ist ohne diese Konflikte nicht zu verstehen. „Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.“ In ihren Gebeten und Gesängen scheint das Licht eines Gottes auf, der die Finsternis des Fanatismus überwindet, der alle Menschen zu Kindern Gottes berufen hat.
Der Film zeigt Christen, die und in der Annahme ihrer Lebenssituation die Radikalität christlicher Existenz ohne Fanatismus vor Augen stellen. Weihnachten kann an jedem Tag im Jahr geschehen – diesen Gedanken sollten wir mit ins neue Jahr nehmen.

Generalvikar Theo Paul