Corona – eine Herausforderung für die Zukunft

Mensch am Strand bei Sonnenaufgang
Bild: unsplash.com, Mohamed Nohassi

In der vergangenen Woche hat mich ein anderer Blogger angeschrieben. Er will die Auszeiten dieser Tage sinnvoll nutzen und zeigt Interesse an anderen Menschen. Auch an mir. Er fragt mich nach meinem beruflichen Werdegang, nach meiner Freizeit, aber dann doch immer wieder nach meinem Erleben der Coronakrise und nach Tipps, wie man sie (besser) bestehen kann. Ich versuche mal einige Antworten.

Oft werde ich gerade von jungen Leuten gefragt, ob ich auch schon Zweifel im Glauben oder nachträglich an meiner Berufsentscheidung gehabt hätte. Ich bin der Meinung, dass es keinen Glauben ohne Zweifel gibt und dass Vertrauen in Gott immer neu errungen werden muss. Als ich 14 Jahre alt war, starben in unserem Dorf fünf Menschen bei einem Hochwasser: vier Kinder im Alter von ein bis sieben Jahren und deren Oma. Das hat mich in meinem „Kinderglauben“ damals sehr geschockt. Nur Schritt für Schritt habe ich gelernt, wie der Glaube die Mutter der toten Kinder aufgerichtet und getröstet hat. Ich habe auch manche weitere Erfahrungen gemacht, die mich ,an den Rand‘ brachten, zuletzt meine schwere Krankheit vor zwei Jahren mit vier Operationen am Rücken. In dieser Zeit habe ich erlebt, wie das schlichte und doch lebendige Brot der täglichen Eucharistie mich genährt hat, als fast alle Gebetsworte ausgingen.

Mir war sehr früh bewusst (mit etwa 17 Jahren), in welche Richtung mein Lebensweg gehen sollte. Als Kind habe ich die Kirche sehr positiv erfahren durch meine Eltern, den Pfarrer und den Religionslehrer in unserem Dorf bei Paderborn. Und dann habe ich auch am Gymnasium in den Auseinandersetzungen der 1968er Jahre einen guten Unterricht gehabt. Das Erlernen der biblischen Sprachen (Griechisch und Hebräisch) befeuerten meine Liebe zur Bibel, sodass der Weg zum Theologiestudium konsequent war. Die seelsorgliche Zuwendung zu den Menschen hat mich bereits in unserem Dorfleben geprägt, wo wir täglich Menschen begegneten mit ihrem Kummer, ihren Freuden und Sorgen. Schon mit 24 Jahren wurde ich zum Priester geweiht. Ich habe diesen Schritt nie bereut, auch wenn mich die Lebensform des Zölibats und der völlige Neuanfang als Bischof von Osnabrück 1995 immer wieder gefordert haben. In meiner Freizeit besuche ich gerne Freunde, lese gern, reise gern, sehe mir auch mal einen Krimi an und betreibe dann und wann Nordic Walking.

Über den Autor

Franz-Josef Bode ist unser Bischof und Vorsitzender der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz. Seit 2010, damals als erster deutscher Bischof, schreibt Bode in unserem Bistumsblog über Begegnungen und Gedanken aus seinem bischöflichen Alltag.

Nun zu Corona. Ich fand die strengen Anordnungen der Regierung in der Akutphase der ersten Pandemie-Erfahrungen richtig und klug. Sie hatten ja auch Erfolg. Jetzt kommen wir in eine ,chronische‘ Phase, in der es nicht mehr nur um den Schutz des biologischen Lebens gehen kann, sondern auch um den ,Würdeschutz‘ des sozialen, kulturellen und spirituellen Lebens. Natürlich müssen auch dabei die Abstands- und Hygienevorschriften eingehalten werden. Wir treten alle in eine neue Weise des Miteianders und der Solidarität ein. Hier sind die Kirchen sehr gefragt in ihrem liturgischen, pastoralen und diakonischen Handeln.

Ich selbst habe keine besondere Angst vor dem Virus, bemühe mich aber als Risikoperson (Alter, Vorerkrankung, Diabetes) um Zurückhaltung, um auch andere nicht zu gefährden und meinen Dienst weiter tun zu können.

In dieser Coronakrise ist es, glaube ich, ziemlich wichtig, für sich und das persönliche Umfeld eine gute Tagesstruktur zu finden: gleiche Zeiten des Schlafs, der Pausen, der Arbeit, des Essens und der Umsetzung von sozialen, kulturellen und spirituellen Bedürfnissen. Die Kommunikation über Telefon und Internet bekommt eine neue Bedeutung, selbst das Briefeschreiben. Das Aufsuchen von ,Anders-Orten‘ wie Kirchen und Museen und die Einrichtung von ,Anders-Zeiten‘ für Gebet oder Meditation ,strukturieren‘ das Leben und geben ihm eine gewisse ,Fülle‘. Kürzlich sprach Landesbischof Meister von den Kirchen als „Naherholungsgebieten der Seele“. – Pandemie ist neu für alle, sie ist eine Herausforderung für den Lebensstil, den Glauben, die Solidarität, für das Vertrauen in Gott und die Wirklichkeit, wie sie uns begegnet.

Und dann hat mich der Blogger gefragt, wie ich zu einer Modernisierung der katholischen Kirche stehen würde. Ich bin sehr für jede Veränderung der Kirche, die sie Gott und den Menschen näherbringt, die sie den Menschen im Leben und im Sterben besser beistehen lässt. Insofern ist die gegenwärtige Zeit hoch bedeutsam für die Zukunft der Kirche. Ich bin sicher, dass nach Corona auch von Kirche viele gewichtige Fragen nach Sinn, nach Zukunft, nach Lebensstil, nach Konzentration, nach dem Umgang mit virtuellen Welten und Digitalisierung neu zu beantworten sind, ebenso nach den Prinzipien der christlichen Soziallehre: Personalität (Einmaligkeit der Person), Solidarität (Gemeinschaft), Subsidiarität (Hilfe zur Selbsthilfe) und Nachhaltigkeit (ökologische Verantwortung). Auch beim Umgang mit Eigentum und Geld wird es zu neuen Priorisierungen im kirchlichen Handeln kommen.

Wo wir damit jetzt schon bei den Menschen – auch auf dem Synodalen Weg und in Vorbereitung auf die heftigen Konsequenzen dieser Krisenzeit – beginnen, werden wir als Kirche und als Kirchen Hoffnung und Zukunft haben und weitergeben. Davon bin ich überzeugt.

 

Ein Kommentar zu “Corona – eine Herausforderung für die Zukunft

  1. First of all I would like to express gratitude for making this information available in English so that the global Church can also benefit. The pastoral approach and candid response to the questions by Bishop Bode is remarkable and worthy of a true pastor. I personally admire his response to modernisation of the church. Every change should bring us closer to God.
    Thank you

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