Darum bete ich

Eine Frau hält eine brennende Kerze
Bild: unsplash.com, Rebecca Peterson

In jener Zeit sagte Jesus seinen Jüngern durch ein Gleichnis, dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten: In einer Stadt lebte ein Richter, der Gott nicht fürchtete und auf keinen Menschen Rücksicht nahm. In der gleichen Stadt lebte auch eine Witwe, die immer wieder zu ihm kam und sagte: Verschaff mir Recht gegen meinen Widersacher! Und er wollte lange Zeit nicht. Dann aber sagte er sich: Ich fürchte zwar Gott nicht und nehme auch auf keinen Menschen Rücksicht; weil mich diese Witwe aber nicht in Ruhe lässt, will ich ihr Recht verschaffen. Sonst kommt sie am Ende noch und schlägt mich ins Gesicht. Der Herr aber sprach: Hört, was der ungerechte Richter sagt! Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen, sondern bei ihnen zögern? Ich sage euch: Er wird ihnen unverzüglich ihr Recht verschaffen. Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf der Erde finden?

Lukas 18, 1-8

 

Beten ohne Unterlass – das kennen sicher viele Menschen. Besonders die, die um einen geliebten Menschen bangen. Ich habe das selbst mehrfach miterlebt: Es gibt scheinbar keine Hoffnung mehr. Die Ärzte kommen an das Ende ihrer Möglichkeiten. Da hilft nur noch beten, Bitten um ein Wunder …
Aber anders als im Evangelium angedeutet, habe ich leider auch oft erlebt, dass das Wunder nicht kam.

Heißt das, die Gebete wurden nicht erhört? Oder bin ich gar kein Auserwählter? Oder war die Rettung eines lieben Menschen nicht mein „Recht“?

Ich kenne Menschen, die genau wegen einer solchen Situation ihren Glauben an Gott verloren haben. Sie haben so sehr gebetet um ihr geliebtes Kind, aber es musste doch sterben.

Ich kann die Wut und Enttäuschung, die darin steckt, sehr gut nachvollziehen. Auch ich kann in solchen Situationen richtig wütend auf Gott sein, aber ich glaube nicht, dass Beten so funktioniert. Ich glaube nicht, dass es so einfach ist: Wunsch – Gebet – erhört – erledigt. Ich glaube, wenn das so einfach wäre, würde es viel mehr Lotto-Gewinner geben und deutlich mehr faule Schüler mit sehr guten Noten …

Aber wenn es eben nicht so funktioniert – warum dann überhaupt noch beten?

Ich glaube fest daran, dass meine Gebete erhört werden, selbst wenn das Wunder ausbleibt – und das ist gar kein Widerspruch. Ich glaube, es tut gut, etwas tun zu können, in einer Situation, in der man scheinbar nichts mehr tun kann. Denn man kann immer noch beten, bitten, eine Kerze anzünden … Und das hilft mir. Ich habe nicht das Gefühl, dass das ins Leere geht, sondern ich habe das Gefühl, dass es meinen Adressaten sehr wohl erreicht! Und das Schöne an meinem Gespräch mit Gott ist, dass er mein ganzes Gefühlschaos aushält! Ich kann ihn anschreien, anflehen, einfach vor ihm weinen, ihn wüst beschimpfen oder was auch immer ich gerade brauche. Gott hält das alles aus! Und dass ich das bei jemandem lassen kann, das erleichtert mich ein bisschen.

Das Bibelfenster

Hier kommentieren jede Woche Menschen aus dem Bistum Osnabrück eine Bibelstelle aus einer der aktuellen Sonntagslesungen – pointiert, modern und vor allem ganz persönlich.

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Samuel Koch, der junge Mann, der in der Sendung „Wetten, dass…? einen Unfall hatte und seitdem vom Hals ab querschnittsgelähmt ist, hat das in seinem Buch „Zwei Leben“ gut beschrieben: Er berichtet von den langen Nächten mit unerträglichen Schmerzen im Krankenhaus. In seiner großen Not betet er zu Gott: „Ich weiß: Gott betreibt keine Bestellannahme für menschliche Wünsche und Forderungen. Und erst recht keine Reklamationsabteilung, wenn sie nicht erfüllt werden. Andererseits fordert er uns in der Bibel immer wieder auf, mit unseren Bedürfnissen und Ängsten zu ihm zu kommen, sie ihm hinzuhalten und darauf zu vertrauen, dass er etwas Gutes damit anfängt. Auch wenn das nicht unbedingt dem entspricht, wie wir es uns vorgestellt haben. In diesem Spannungsfeld bewegte ich mich auch, und Gott hat mir nicht einfach die Schmerzen genommen. Ich spürte aber durchaus, dass ich mich nach diesen Gebeten immer ein Stück befreiter und ruhiger fühlte.“ (Samuel Koch, Christoph Fasel: „Samuel Koch – Zwei Leben“, 3. Auflage, adeo Verlag, Aßlar 2012, S. 103)

So geht es mir auch, wenn ich in schlimmen Situationen bete. Deshalb bete ich weiter.

Pastoralreferentin Eva Schumacher