Ein Jahr Schutzprozess
Im Februar 2019 ist das „Konzept gegen sexualisierte Gewalt und geistlichen Missbrauch im Bistum Osnabrück“ in Kraft getreten, kurz „Schutzprozess“. Jetzt haben die Beteiligten eine erste Bilanz gezogen.
Seit einem Jahr gibt es im Bistum Osnabrück einen erweiterten diözesanen Schutzprozess. Kern dieses Konzepts sind fünf Handlungsfelder: die Prävention, die Intervention, die Begleitung Betroffener, den Umgang mit Beschuldigten und die Sanktionierung von Tätern sowie die Bearbeitung systemischer Grundsatzfragen. Für jedes dieser Felder sind Arbeitsgruppen eingerichtet, in denen neben Fachleuten aus dem Bistum Osnabrück unabhängige externe Expertinnen und Experten mitwirken. Auch Betroffene bringen sich in den Prozess ein.
Darüber hinaus sorgt eine Monitoring-Gruppe für die Steuerung und Kontrolle der verschiedenen Arbeitsgruppen und -abläufe. Deren Sprecher Heinz-Wilhelm Brockmann und Thomas Veen haben jetzt bei einer Pressekonferenz berichtet, was im vergangenen Jahr in den einzelnen Gruppen geschehen ist. Für das Feld der Prävention habe sich vor allem gezeigt, dass das ein Thema für jede einzelne Kirchengemeinde und jede katholische Einrichtung im Bistum ist. Sie alle sind deswegen verpflichtet, ein individuelles Institutionelles Schutzkonzept zu entwickeln, was in rund 80 Prozent aller Einrichtungen inzwischen geschehen ist. Die Hauptaufgabe der Gruppe Prävention hat sich deswegen inzwischen auf den Bereich Schulung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verlagert.
Kontakt für Betroffene
Hier finden Sie die Kontaktdaten der unabhängigen Ansprechpersonen für Betroffene von sexueller und spiritueller Gewalt im Bistum Osnabrück.
Die Begleitung Betroffener stellt sich laut Brockmann als eine intensive und langfristige Aufgabe dar, in die inzwischen alle Beratungsstellen des Bistums eingebunden sind, um eine umfangreiche Betreuung zu garantieren. Die Gruppe „Sanktionierung und Kontrolle von Tätern und Umgang mit Beschuldigten“ behandelt die konkreten Fälle von sexuellem oder geistlichem Missbrauch im Bistum Osnabrück unter dem Gesichtspunkt, wie – über die polizeilichen Ermittlungen und strafrechtlichen Maßnahmen hinaus – seitens des Bistums mit Beschuldigten und Tätern umzugehen ist.
Die Arbeitsgruppe Intervention hat sich vor allem mit akuten Verdachtsfällen und der Begleitung irritierter Systeme vor Ort beschäftigt. Außerdem war sie maßgeblich beteiligt an der Entwicklung eines Verfahrenswegs für die Umsetzung des Schutzprozesses in einem konkreten Verdachtsfall. „Dieser soll helfen, Verantwortlichkeiten und Abläufe zu klären. Er soll gewährleisten, dass die Betroffenen bestmöglich geschützt werden, dass eine Vertuschung verhindert wird und dass alle Taten strafrechtlich verfolgt werden“, sagte Thomas Veen.
Weitere Infos
- Eine detaillierte Übersicht der einzelnen Arbeitsfelder des diözesanen Schutzprozesses finden Sie hier.
- Hier gibt es Grundlegende und aktuelle Informationen zum Umgang mit sexualisierter Gewalt und geistlichem Missbrauch im Bistum Osnabrück.
- Was passiert in einem konkreten Verdachtsfall? Dazu gibt es im Bistum konkrete Handlungsanweisungen.
- Was ist geistlicher Missbrauch? Dazu finden Sie hier weitere Informationen.
Für den Bereich Systemische Grundsatzfragen erläuterte Gruppenmitglied Michaela Pilters, dass sie sich nicht zufällig mit den gleichen Frage auseinandersetzten, die sich die katholische Kirche auch beim Synodalen Weg stelle: „Es geht um Macht, um Sexualität, um Frauen und priesterliche Lebensformen – weil das die Themen sind, die darüber entscheiden, ob die Kirche wieder glaubwürdig werden kann.“ Der Fokus liege dabei auf Aspekten, die auf Ebene des Bistums mit Lösungen angegangen und verändert werden könnten. Zu allen Themenbereichen werde es in nächster Zeit Fachtage geben, bei denen sich alle im Bistum einbringen könnten.
Bischof Franz-Josef Bode lag darüber hinaus noch ein Thema am Herzen, das die Beteiligten des Schutzprozesses in nächster Zeit verstärkt beschäftigen wird: der geistliche Missbrauch. Dieser beginne dort, wo jemand einen Menschen, der von ihm Weg-Weisung erwarte, stattdessen mithilfe biblischer Aussagen, theologischer Inhalte oder spiritueller Praktiken manipuliere und unter Druck setze. „Statt in eine befreiende und erfüllende Beziehung mit Gott wird die missbrauchte Person auf solche Weise in die Irre, in Enge und Isolierung geführt.“ Das könne ebenso wie sexualisierte Gewalt Auswirkungen auf das ganze Leben der oder des Betroffenen haben. Vor einem Jahr habe niemand gewusst, wie komplex sich die Lage rund um das Thema Missbrauch entwickeln werde, sagte Bode un fügte hinzu: „Für die Zukunftsfähigkeit des Bistums ist es aber von großer Bedeutung, dass wir uns damit beschäftigen. So haben wir intensiv gearbeitet.“