Ein Nachruf auf Norbert Blüm

Grabstein im Sonnenschein
Bild: unsplash.com, Simeon Muller

Viele Nachrufe können wir auf Norbert Blüm hören und lesen. Ich möchte Bekanntes nicht wiederholen. Für mich war er ein christlicher, sozialer Politiker, den wir in den derzeitigen Fragestellungen noch an vielen Orten vermissen werden. Er war ganz und gar in der katholischen Soziallehre verwurzelt und zurecht konnte er die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen ins Wort bringen und notwendige Veränderungen beschreiben.

Seine christliche Sozialpolitik war nicht zuerst mit Flugblättern und Ankündigungen verbunden. Er setzte sich für die kleinen Leute ein und brachte entsprechende Verbesserungen auf den Weg. Er wusste, wo dem Normalbürger die Schuhe drückten, was dann durchaus sein Netzwerk auf die sozialpolitische Tagesordnung gesetzt wurde. Bei aller lokalen Sensibilität war er ein global denkender und handelnder Christ und Politiker.

Über den Autor

Theo Paul ist Generalvikar und damit Stellvertreter des Bischofs und Leiter der Verwaltung des Bistums. In seinen Blogbeiträgen greift er gerne aktuelle Themen auf.

Wer sich mit seinem Leben mehr beschäftigt hat, wird feststellen, dass er ein großer Verehrer seines Lehrers und Vorbildes Pater Oswald von Nell-Breuning SJ war. Er hat in Frankfurt die Sozialschule besucht und dort Pater von Nell-Breuning kennen gelernt. Ich selbst durfte ihn auch noch in meiner Studienzeit in St. Georgen erleben und hören. Ich möchte dazu noch zwei markante Aussagen aus Nobert Blüms letztem Buch „Verändert die Welt, aber zerstört sie nicht“ zitieren:

 

Pater von Nell-Breunings Soziallehre war also auch eine Predigt ohne Worte, nämlich das Zeugnis, dass die Kirche „bei den Arbeitern ist“. „Mein ganzes Leben habe ich versucht, das Unrecht wettzumachen, das die Kirche den Arbeitern im 19. Jahrhundert angetan hatte“, gab er als Resümee seines Lebens in seiner Dankesrede auf der Feier zu seinem 100. Geburtstag an. Und bescheiden fügte er hinzu „Und wenn die katholische Arbeiterbewegung mir dafür Dank sagen will, dann bitte ich um ein Gebet für eine gnädige Sterbestunde … der ich mit großer Neugierde entgegensehe.“

Das ist der Oswald von Nell-Breuning S.J.: Ehrlich bis zu den letzten Dingen. Er weiß es nicht, wie es sein wird nach dem Tod, und keine Phrase kommt über seine Lippen, die das Jenseits beschreibt. Es wird ganz anders. Aber es wird sein, das Jenseits. Das glaubt er. Deshalb ist er neugierig. Und so mischt sich Ungewissheit mit Hoffnung und Gottvertrauen. Vielleicht ist das eine besondere Form des Glaubens. Bei meinem letzten Besuch, – acht Tage vor seinem Tod – begrüßte er mich sarkastisch wie immer mit dem fast resigniertem Hinweis: „So, jetzt können Sie miterleben, wie ein großer Geist zerfallen ist.“

Er hielt etwas von sich. Selbst in der Resignation hielt er sich, ganz nebenbei bemerkt, für einen „großen Geist“, zwar ironisch, aber mit einem Hauch Selbstbewunderung. Mir fiel nichts Passendes auf seine ungewöhnliche Begrüßung ein und verlegen stammelte ich: „Aber Herr Pater. Wir kennen uns doch schon 36 Jahre“. „37“, korrigierte er mich herrisch mit schnarrender Stimme. Von wegen, zerfallener Geist, hellwach und keinen Fehler durchgehen lassen, das war nach wie vor sein Metier.

 

Und außerdem folgendes Zitat:

 

Wir haben es in Deutschland selber erfahren: Sein schönstes Gesicht zeigte Europa, wenn es vom Gebot der Nächstenliebe getrieben, erbarmungsvoll war. Gegen die Kraft des Erbarmens sind zu guter Letzt auch die Waffen des Fanatismus stumpf.

Die stärkste Niederlage, die der Islamische Staat bisher erlitten hat, wurde ihm nicht mit Kanonen und Raketen beigebracht, sondern von Hunderttausenden von deutschen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die Hunderttausende von verzweifelten Flüchtlingen freundlich empfangen und erbarmungsvoll aufgenommen haben.

Angela Merkel hat in einer Situation der humanitären Katastrophe mit der Öffnung der Grenzen für die Flüchtlinge den Islamischen Staat nicht nur gedemütigt, sondern ihm damit eine größere Niederlage bereitet, als die Generäle es je können werden. Ein Europa mit Erbarmen widerlegt jede Form von islamischem Fanatismus.

 

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