Hilfe per E-Mail

Mann sitzt im Halbdunkel mit Laptop auf einem Dach
Bild: unsplash.com, Avi Richards

600 Jugendliche unter 25 Jahren begehen in Deutschland jährlich Suizid. Nach Verkehrsunfällen ist das die zweithäufigste Todesursache in dieser Altersgruppe. Viele junge Menschen haben irgendwann einmal Suizidgedanken, meistens merken andere um sie herum gar nichts davon. Sie fühlen sich allein mit ihren Ängsten.

Da herkömmliche Beratungsangebote gefährdete Jugendliche nicht erreichen, hat der Deutsche Caritasverband die Online-Suizidprävention [U25] geschaffen, eine E-Mail-Beratung, anonym und kostenlos.

Auf einer Wellenlänge: Jugendliche beraten Jugendliche

Das Besondere daran: Die Berater sind selbst junge Menschen bis 25 Jahre und arbeiten ehrenamtlich. Sie begleiten also Gleichaltrige, die sich in einer Krise befinden und sind somit oft näher an den Problemen dran. Etwa 1.200 Kinder und Jugendliche werden so pro Jahr deutschlandweit an zehn unterschiedlichen Standorten betreut.

Einer davon ist im emsländischen Lingen. Hier arbeiten aktuell 33 der über 200 in Deutschland aktiven Peers – so nennen sich die ehrenamtlichen Beraterinnen und Berater. Die Studentinnen Lea und Carolin beantworten hier schon seit zwei Jahren ehrenamtlich Mails von Jugendlichen mit Suizidgedanken, die sie über die Internetseite U25.de erreichen. „Suizid ist ein Tabuthema. Oft schämen sich die Klienten dafür, dass sie solche Gedanken haben. Man sollte offener darüber sprechen können“, findet Lea. „Wir nehmen unsere Klient*innen ernst – egal welches Problem sie haben. Ich schreibe, als wenn ich mit meinen Freundinnen und Freunden mailen würde“, ergänzt ihre Kollegin Carolin.

Wie ein Tagebuch, das antwortet

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Das ist vielleicht auch das Erfolgsrezept der Initiative [U25]. „Unsere Peers sind authentisch, sie stellen den Klient*innen Fragen, die wir als Hauptamtliche vielleicht nicht stellen würden. [U25] ist ein Tagebuch, das antwortet. Auch das Schreiben hilft vielen Klient*innen. Sie denken so nochmal ganz anders über ihre Probleme nach. Dadurch zeigen sich ganz neue Auswege“, erklärt Katrin Warstat von der Caritas Emsland, die das Projekt hauptamtlich betreut.

Das Konzept geht auf: Allein 2018 wurden von den Lingener Peers 144 junge Menschen in einer Krisensituation beraten, 1.643 Mail wurden verschickt. Im ersten Quartal 2019 kamen bereits 50 neue Klienten dazu. Hinter diesen Zahlen stecken viele Schicksale: Manche Klient*innen schreiben nur wenige Mails, haben vielleicht nur eine konkrete Frage. Andere werden von einem Peer über viele Monate hinweg durch eine Krise betreut, um beispielsweise die Wartezeit auf einen Therapieplatz zu überbrücken.

Gefühle von Einsamkeit und Isolation

Hände tippen auf einem LaptopDie Themen? „Auslöser können ein Streit mit der besten Freundin sein, Probleme mit der Familie, mit Schule oder eine Trennung. Die Bandbreite geht aber bis hin zu traumatischen Erlebnissen. Es ist zu vermuten, dass viele depressiv sind, viele schreiben von Ängsten, sie haben Gefühle von Einsamkeit und Isolation“, erklärt Katrin Warstat.

Ein Engagement als ehrenamtlicher Peer ist manchmal eine Herausforderung. Alle 14 Tage treffen die Peers sich daher in Kleingruppen zur Supervision, reden über ihre Klient*innen, tauschen sich aus. „Wenn am Ende eines Kontaktes in der E-Mail steht: ‚Danke, dass du mir zugehört hast‘, dann ist das schön zu lesen. Es freut uns immer sehr, wenn wir helfen können“, sind sich Lea und Carolin einig.