Hoffnungszumutung

Wege, Gabelung, Entscheidung
Bild: unsplash.com, Kelsey Chance

Der Herr der Heerscharen wird auf diesem Berg für alle Völker ein Festmahl geben mit den feinsten Speisen, ein Gelage mit erlesenen Weinen, mit den feinsten, fetten Speisen, mit erlesenen, reinen Weinen. Er verschlingt auf diesem Berg die Hülle, die alle Völker verhüllt, und die Decke, die alle Nationen bedeckt. Er hat den Tod für immer verschlungen und Gott, der Herr, wird die Tränen von jedem Gesicht abwischen und die Schande seines Volkes entfernt er von der ganzen Erde, denn der HERR hat gesprochen.  An jenem Tag wird man sagen: Siehe, das ist unser Gott, auf ihn haben wir gehofft, dass er uns rettet. Das ist der Herr, auf ihn haben wir gehofft. Wir wollen jubeln und uns freuen über seine rettende Tat. Denn die Hand des Herrn ruht auf diesem Berg.

Jesaja 25,6-10a

Was eine Party: Wein, Bier, Cocktails, nur das Beste vom Besten. Und: Leckeres zu Essen, Fingerfood in Hülle und Fülle, ein Hochgenuss für jeden Gaumen, schmackhaft und nahrhaft. Bestimmt auch Musik, Tanz und Festivalstimmung. Die Gäste verstehen sich, grölen ausgelassen mit, tanzen sorgenfrei und genießen unbeschwert. Eine fette Party!

Was für ein Bild, das Jesaja an diesem Wochenende in der Lesung malt. Ein Bild, das so gar nicht in diese Tage passen will. Es steht im Gegensatz zu den Bildern von Krieg und Terror in Israel, der Ukraine und anderswo. Es ist ein Gegenbild zu den immer länger werdenden Schlangen vor den Tafeln in Deutschland, dem wachsenden Zuspruch zu populistischen, menschenverachtenden Parteien und den immer stärkeren Auswirkungen der Klimakrise.

Und Jesaja malt weitere Bilder: Er nimmt die Decke des Leids, des Terrors und der Schuld von allen Völkern. Er verschlingt den Tod, er trocknet alle Tränen.

Das Bibelfenster

Hier kommentieren jede Woche Menschen aus dem Bistum Osnabrück eine Bibelstelle aus einer der aktuellen Sonntagslesungen – pointiert, modern und vor allem ganz persönlich.

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Die Gegensätzlichkeit der Bilder von Jesaja und den aktuellen Bildern des Weltgeschehens könnten größer nicht sein. Diese Gegensätzlichkeit ist eine Zumutung, eine Hoffnungszumutung. Und genau darin liegt die Quintessenz des christlichen Glaubens: Christen hoffen nicht, weil sie die Wirklichkeit ausblenden, Christen hoffen in aller Hoffnungslosigkeit. Sie hoffen in all den kleinen und großen Schicksalen des Lebens, dass Gott da ist. Sie glauben, dass er sie erlösen wird und einst mit Ihnen eine fette Party feiern wird.

Diese Hoffnung ist kaum zu fassen und vom Verstand nicht zu begreifen. Dennoch ist sie nicht illusorisch. Es gibt viele Menschen, die diese Zusage Gottes am eigenen Leib erlebt haben. Diedrich Bonhoeffer zum Beispiel: In der Grausamkeit des Konzentrationslagers hat er die Erfahrung gemacht, dass Gott dieses Leid mit ihm aushält, ihm Kraft und Hoffnung in dieser Hoffnungslosigkeit gibt. Auch Menschen aus meinem Umfeld fallen mir da ein, die in schwierigen Situationen Gott an ihrer Seite „gespürt“ haben. Und auch ich habe schon die ein oder andere Erfahrung machen dürfen, wo Gott mir ganz nah war.

Und deshalb sind die Bilder, die Jesaja hier malt, für mich wirklich eine Zu-Mut-ung. Sie machen mir Mut, gerade in dieser Zeit. Weil ich von den Leckereien der großen Party an jenem Tag schon kleine Appetizer probieren durfte.