Zwischen Welten

Brücke im Herbst
Bild: unsplash.com, Yoann Laheurte

„Zwischen Welten“ so heißt ein Roman von Juli Zeh und dem Co-Autor Simon Urban, den ich gelesen habe. Die Gesellschaft, sagen sie, polarisiert sich mehr und mehr: Ihre Grundannahme ist die Spaltung der Gesellschaft.

Eine Gespaltenheit, die sich nicht nur in vielen verschiedenen widerstreitenden Lebenseinstellungen und Entwürfen zeigt, sondern in genau zwei diametral-entgegengesetzte Positionen – verkörpert in Theresia, 43 Jahre, die den Hof ihres Vaters in Brandenburg übernommen hat, heute dort Vorstand der Kuh@Co.Schulte e. G. ist, verheiratet, zwei Kinder. Und Stefan, 43 Jahre, ledig, Kulturchef einer großen Hamburger Wochenzeitung „Der Bote“ – die im Roman abwechselnd Züge von „Stern“ und „Zeit“ trägt.

Vor zwanzig Jahren haben Stefan und Theresa in Münster Germanistik studiert und waren gute Freunde, die in einer WG zusammenlebten. Sie schreiben ihren Roman per E-Mail und WhatsApp-Austausch. Es ist ein hart gefrorener Boden, den sie mit ihren Reizthemen betreten. Er gendert und schreibt mit Sternchen. Sie sagt, er treibe damit die Polarisierung der Gesellschaft voran. Er steht für Feminismus, Klimawandel, Bekämpfung der AFD. Sie findet das alles ziemlich pipifax und beschwert sich, dass sie seine Begriffe zum Teil erst mal googlen muss, um sie zu verstehen. Er plant beim Boten eine Klimaausgabe und sie kämpft auf ihren Bio-Milchhof ums Überleben. Sie will nicht nur auf Biogas und Mais setzen. Es findet einen heftigen Schlagabtausch um die Frage Klimapolitik, Gendersprache und Rassismusvorwürfe statt.

Ist heute wirklich jeder und jede gezwungen, eine Seite zu wählen? Oder gibt es Brücken zwischen den Welten? Können Freundschaft und gelebte Streitkultur die Kluft überbrücken? Trifft die Gegenwartsbeschreibung in „Zwischen Welten“ zu oder ist die Polarisierung zwischen dem zu kurzgekommenen Land und der arroganten Stadt nicht voller Übertreibungen zwischen dem Hamburger Zeitgeist und der Ostdeutschen schikanösen Bürokratie?

Über den Autor

Theo Paul ist Domkapitular und unter anderem für die Krankenhäuser, Klöster und geistlichen Orte im Bistum Osnabrück zuständig. In seinen Blogbeiträgen greift er gerne aktuelle Themen auf.

Auch wenn ich an manche Zeichnungen kritische Anfragen habe, so ist das Buch für mich doch ein aktueller Beitrag für unsere Debattenkultur. „Zwischen Welten“ thematisiert viele Themen, die auch für unsere kirchlich-soziale Glaubensverkündigung eine große Bedeutung haben. Einen Bezug zum christlichen Glauben habe ich nicht direkt entdeckt. In „Zwischen Welten“ ist die christliche Verkündigung scheinbar untergegangen. Sie spielt keine Rolle mehr. Auch das ist ein Erkennungszeichen unserer Zeit in unserem Kontext.

„Zwischen Welten“ findet keine gemeinsame Zukunftsperspektive. Ist es nicht die Aufgabe von christlichen Gruppen und Gemeinschaften, von Kirche, diesen gemeinsamen Horizont einzubringen? Könnte nicht ein gemeinsames Sozialwort aller christlichen Kirchen in Gemeinschaft mit allen Nichtregierungsorganisationen oder sozialpolitisch-sensiblen Gruppen hier eine Hilfe sein, für ein erneuertes Miteinander in unserer Gesellschaft zu werben?

Finden wir uns nicht mit den Spaltungen ab, sondern seien wir zwischen all unseren Lebenswelten präsent, um Brücken zu bauen!

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