Die andere Seite des Teppichs

Teppich, Vorder- und Rückseite
Bild: Pixabay.com, Hans Braxmaier

„Ein Teppichknüpfer saß vor seinem Laden und arbeitete unermüdlich. Tag für Tag und Stunde für Stunde fügte er einen bunten Faden nach dem anderen in sein Werkstück. Ein Mann, der vorüberkam, blieb stehen, beobachtete ihn eine Weile und fragte sich kopfschüttelnd, wo dieser Arbeiter wohl sein Handwerk gelernt hatte. Er konnte nur ein chaotisches Wirrwarr erkennen. Ein paar Tage später kam er wieder vorbei. Der Teppich war nun fast fertig, aber er sah noch bunter und wirrer aus als ein paar Tage zuvor. Da fasste er sich ein Herz und fragte den Arbeiter: ‚Was machst du denn bloß? Das sieht einfach nur furchtbar und chaotisch aus!‘ Der Teppichknüpfer lächelte, hob sein Werkstück in die Höhe und bat den Besucher, darunter zu treten und den Teppich von der Rückseite zu betrachten. Dort erschien ihm ein wunderbares und vollkommenes Bild – das schönste, das er je gesehen hatte.“

Bei dieser kurzen Geschichte aus dem Magazin des Vereins andere zeiten bin ich hängen geblieben, denn sie fasst charmant und tiefsinnig viele Fragestellungen und Themen zusammen, die mir in diesen Tagen begegnen:

Aufgrund der notwendigen Auflagen zur Eindämmung der Coronapandemie verändert sich das gesellschaftliche wie kirchliche Leben. In vielen Gemeinden werden mit viel Engagement und Kreativität neue Formen von Gemeinschaft gefunden. Doch zugleich können in einigen Bereichen des kirchlichen Lebens nur Lösungen gefunden werden, die eben nur Notlösungen sind und das schmerzt; vor allem, dass sinnvollerweise immer noch gelten muss: „Abstand ist ein Zeichen von Nächstenliebe“.

Bei den vielen Begegnungen und Gesprächen im Rahmen der Visitation lerne ich immer wieder eindrucksvoll Initiativen und Projekten kennen, die deutlich machen, dass gelebte Vielfalt ein lebendiges Zeugnis von der Geschichte Gottes mit den Menschen gibt. Da gibt es viele Telefonnetzwerke, um gerade ältere und kranke Menschen nicht allein zu lassen, da sind gerade in den Sommerferien viele Gruppenleiterrunden bemerkenswert kreativ gewesen, um im Rahmen der Möglichkeiten Kindern und Jugendlichen Freizeitangebote zu machen.

Über den Autor

Johannes Wübbe ist Weihbischof in unserem Bistum. Auf wen er in seinem Alltag trifft und was ihn bewegt – wir werden das in seinen Blogbeiträgen verfolgen.

Es gibt aber auch andere Dinge, die anstrengend sind, weil Meinungen, Ideen, Lösungsansätze anscheinend weit auseinander liegen. Ich denke da beispielsweise an den wichtigen Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland. Die Beratungen auf den Regionalkonferenzen des Synodalen Wegs haben uns jüngst einen angeregten Austausch, Zuhören und Ringen miteinander erleben lassen. Auch unterschiedliche Meinungen haben dort ihren Platz. Sie zeigen, wie vielfältig die Haltungen und Vorstellungen aller Beteiligten sind.

Leider findet aber rund um den Synodalen Weg auch eine Art der Auseinandersetzung einiger mit den Meinungen und Überlegungen anderer statt, die ich irritierend und unangemessen finde. Der so oft beschworene faire und wertschätzende Umgang fehlt da einfach.

Wie gelingt es uns als Kirche, diese Mehrdeutigkeit auszuhalten und nicht nur das, sie sogar als bereichernd wahrzunehmen und Veränderungen zuzulassen?

Die Erzählung am Anfang macht mir da Mut. Da ist die Rede von den vielen bunten Fäden, die zusammengefügt werden müssen und manches Mal doch wirken wie ein buntes Wirrwarr. Aber mit Abstand, mit dem anderen Blick wird daraus doch ein wunderbares Ganzes.

Gerade die Urkirche hat sich da vom Heiligen Geist führen lassen, was geholfen hat, tiefer und besser zu verstehen, wie Jesus seine Kirche gewollt hat; und es hat zu grundlegenden Veränderungen geführt – um des Heiles, um der Menschen willen.

 

Ein Kommentar zu “Die andere Seite des Teppichs

  1. Guten Abend
    ich habe auch über diese geschichte auf der Rückseite des anderezeiten magazins nachgedacht.

    mir ist wieder bewusst geworden wieviel ich aus dem Ruhrpott Ihnen im Bistum Osnabrück danken möchte.
    nicht nur daß SIE- lang her- fürs bistum essen eingesprungen sind kurzfristig den katholikentag von uns zu übernehmen. und er war dann für mich noch als eh. mitwirkende von ADVENIAT als auch sonst viele sehr wunderbare Erfahrungen in und mit dem Bistum Osnabrück.

    dies bestätigt sich in diesen Corona zeiten SEHR
    ich verfolge die facebook seite vom Bistum Osnabrück seit dem katholikentag bei Euch.
    habe darüber die bibel/liebe Untersetzer kennen und als Geschenk gern und oft weiter gegeben.

    nun so wusste ich auch von beginn an vom Start des livestreams aus dem Dom 19 Uhr da ich um 19 uhr eh eine kerze ins fenster stellte und das vater unser mit Ihnen im gottesdienst betete wurde ich sehr fromm tgl gottesdienst online und ich bin noch dabei samstag 19 uhr.
    Seit dieser Zeit hat Bischof Bode einen Festen Platz in meinem Herzen
    und dem ganzen Team, die dies vor und hinter der kamera erstellen, danke ich auch sehr herzlich.
    mir ist um das Bistum Osnabrück nicht bang eher bin ich schon in Sorge wie es in meiner Heimat weitergeht, auch wenn ich – laie – mich doch als kirche fühle und auch gutes wahrnehme bei uns bete z.B dafür das die citypastoral in essen in dieser form erhalten bleibt, oder das meine kirche TABGHA mit dem umzug 6.12 2020 nach Duisburg von Oberhausen sich neu alt er/findet.

    nun mit PAULUS bete ich um erleuchtete Augen des Herzens und wünsche sie Ihnen auch

    gute nacht

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