Advent ist für mich: Abschied

Domküster Rolf Bessmann
Bild: Bistum Osnabrück

Die Advents- und Weihnachtszeit ist für Rolf Beßmann in diesem Jahr eine Zeit des Abschieds: Deutschlands dienstältester Domküster wird Silvester zum letzten Mal um Mitternacht die Domglocken anstellen und sich danach in den Ruhestand verabschieden. Im Interview erzählt er, warum dieser Advent für ihn ruhiger ist als sonst und wie er sich fühlt, beim Gedanken, nach über 42 Jahren nicht mehr täglich in den Dom zu gehen.

Was bedeutet für Sie Advent?

Es ist eine tolle Zeit! Früher hat meine Oma gesagt: „Advent heißt Ankunft!“ Es ist ja nichts anderes als Warten auf die Ankunft des Herrn. Für uns Domküster ist es etwas anders. Wir warten auch – dass wir fertig werden (lacht). Die Adventszeit ist für uns schon eine ganz schön stressige Zeit mit den ganzen Vorbereitungen: dem Krippenaufbau, dem Aufbau der Tannenbäume, mit Chroproben, Konzerten … Trotz der vielen Aufgaben stehe ich aber nicht so unter Druck wie beispielsweise in der Karwoche, wo die Zeitfenster viel enger gestrickt sind. Zu den schönsten Arbeiten im Jahr zählt der Aufbau der Krippe. Außerdem kommt man in der Adventszeit gerade durch den Weihnachtsmarkt, mit ganz vielen Menschen in Kontakt.

Dieser Advent wird der letzte für Sie als Domküster sein. Was wird anders?

Ich lasse es ruhiger angehen. Ich arbeite noch, allerdings werde ich – anders als in den vergangenen Jahren – Urlaub nehmen, da mein 65. Geburtstag in die Zeit fällt.

Gibt es einen Advent, der Ihnen besonders in Erinnerung ist?

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In den vergangenen Wochen haben noch mehr Menschen aus dem Bistum Osnabrück aufgeschrieben, was Advent für sie bedeutet. Diese Texte finden Sie hier:

In unserem Jubiläumsjahr 1980 wurde die Christmette im Fernsehen übertragen. Das war für mich der schlimmste Gottesdienst in den ganzen Jahren. Selbst der Papstbesuch kurze Zeit vorher war nicht so anstrengend. Damals gab es noch sehr viele Proben, an denen alle teilnehmen mussten – auch der Bischof in vollem Ornat. Ein Kameramann musste ärztlich versorgt werden, als er bei einer Probe erfahren hatte, dass seine Frau sich von ihm getrennt hat. Trotzdem hat alles gut geklappt. Heute ist die Technik anders, der Aufwand ist bei weitem nicht mehr so groß.

Gibt es ein spezielles Bild, das Sie mit der Adventszeit verbinden?

Schön ist immer die Vesper zum ersten Advent. Ich finde es sehr beeindruckend, wenn wir in der Kleinen Kirche starten, dann in den nicht ganz hellen Dom kommen, wo vom Bischof die erste Adventskranzkerze entzündet wird. Dann fängt für mich der Advent richtig an.

Haben Sie eine Lieblingskrippenfigur?

Das Jesuskind im Lastenfahrrad
Ungewöhnlich, aber zweckmäßig: Das Jesuskind für die Domkrippe wird mit dem Lastenfahrrad transportiert. Bild: Bistum Osnabrück

Ja, den Hirten mit der Flöte. Vor vielen Jahren hat mir der mittlerweile lange verstorbene Bildhauer Hörnschemeyer erzählt, dass er in seiner Ausbildung für den Hirten Modell gestanden hat. Er war damals Lehrling bei dem Künstler, der die Krippe geschnitzt hat. Oder das Kamel. Es ist die jüngste Krippenfigur und 1929 dazugekommen. Ein älteres Ehepaar erzählte mir vor vielen Jahren, dass das Kamel von einem Osnabrücker Kaufmann gestiftet worden sei. Dessen Frau war ziemlich erzürnt darüber, dass er so viel Geld für so eine Figur ausgegeben hat. Jedes Mal, wenn das Kaufmannspaar in der Weihnachtszeit in den Dom kam, sagte sie zu ihm: „Kiek, dor steihst du, du dummes Kamel“ (Kuck, da stehst du, du dummes Kamel).

Haben Sie es je bereut, Domküster zu sein?

Vielleicht war das alles vorbestimmt. Ich bin kurz vor Weihnachten in der Osnabrücker Bischofsstraße geboren. Als ich dann in St. Johann getauft werden sollte, sagte der damalige Küster zu meinen Eltern: „In der Taufkapelle holt sich der Junge was weg, das ist viel zu kalt. Wir taufen in der Sakristei.“ Dann hat meine Mutter mir immer erzählt, dass sie den ersten Weg mit mir im Kinderwagen zur Krippe im Dom gemacht hat. Da konnte ich eigentlich nur noch Domküster werden, oder? Obwohl ich ja ganz anderes vorhatte damals …

Nämlich?

Ich habe Starkstromelektriker bei der Bahn gelernt. Eigentlich wollte ich Lokführer werden, aber da war als Brillenträger damals gar nicht dran zu denken.

Wie ist aus dem Starkstromelektriker ein Domküster geworden?

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Ich war als Messdiener und in der Jugendarbeit in St. Johann tätig und kannte mich daher in der Sakristei aus. Als der damalige Küster – ein absoluter Karnevalsjeck – eine Vertretung brauchte, weil er Stadtprinz wurde, sprang ich ein. Um Weihnachten 1975 sagte er mir, dass im Dom eine Küsterstelle frei werden würde. Ich war damals 22. Meine erste Reaktion war: „Du spinnst wohl! Das ist was für alte Männer.“ Heute gehöre ich dazu (lacht). Nein, ich habe es wirklich nie bereut.

Gibt es ein Ritual, das Sie vermissen werden?

Das kann ich mir nicht vorstellen. Mir ist alles sehr vertraut, aber ich denke, dass ich neue Dinge finden werde und auch zuhause den Advent richtig genießen kann. Das ist etwas, das man als Küster nicht kann und auch für die Familie schwer ist – gerade, wenn man kleine Kinder hat. Früher war es schwierig und meine Familie hat oft gesagt: „Musst du schon wieder in deinen Dom?“

Welche Rolle wird der Dom in Zukunft in Ihrem Leben spielen?

Ich habe mir vorgenommen, mich hier in der ersten Zeit möglichst nicht sehen zu lassen. Damit ich Abstand bekomme und ich möchte den Kollegen auf keinen Fall das Gefühl geben, dass ich zum Kontrollieren komme. Ich möchte wirklich genießen, dass ich diese festen Zeiten nicht mehr habe. Irgendwann werde ich aber sicher wieder im Dom auftauchen. Bei großen Gottesdiensten kann ich dann mit meiner Frau zusammen kommen – das ist etwas, das wir kaum geschafft haben, außer bei unserer Hochzeit und der Erstkommunion der Kinder. Inzwischen ist es schon fast schwierig, denn der Blick eines Küsters ist immer ein ganz anderer. Man sieht Dinge, die andere nicht sehen und ich hoffe, dass ich das auch etwas zurückschrauben kann.

Sie wirken gar nicht wehmütig, dass Sie sich bald in den Ruhestand verabschieden. Täuscht der Eindruck?

Ich bin nicht traurig und ich gehe auch nicht mit einem weinenden Auge. 42 Jahre haben mir fast immer Spaß gemacht. Es war eine gute Zeit und jetzt ist der richtige Zeitpunkt zu gehen. Ich freue mich auf den Ruhestand. Es kann aber durchaus sein, dass ich in manchen Situationen feuchte Augen bekomme – wenn ich beispielsweise in großen Gottesdiensten beim Einzug vorweg gehe und mir bewusst mache, dass es bald das letzte Mal ist. Ich weiß nicht, wie es an meinem letzten Arbeitstag, an Silvester, sein wird und ob ich da auch so cool bleiben kann – mal schauen.

Was ist denn Ihre letzte Amtshandlung?

Um 20 Sekunden vor Mitternacht werde ich die Glocken anstellen, damit es zum neuen Jahr auch kräftig läutet. Um Mitternacht gebe ich dann meine Schlüssel ab. So stelle ich mir das zumindest vor. Mal gucken, ob der liebe Gott das auch so sieht. Man weiß ja nie, was der mit einem vorhat.

 

Im Video unten sehen Sie ein Interview mit Domküster Rolf Beßmann. Das Video stammt aus der Reihe „LOS!sprechen – Bekenntnisse im Beichtstuhl“. Persönlich, spontan, ungeschnitten und mit viel Humor stellen sich darin Menschen aus dem Bistum Osnabrück einem etwas anderen Beichtstuhlgespräch … Weitere Videos aus der Reihe finden Sie auf dem YouTube-Kanal des Bistums!

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